Auf unserem Mitmachkongress utopival von living utopia gab der Postwachstumsökonom und Aktivist apl. Prof. Dr. Niko Paech eine Auftaktkeynote unter dem Titel „Der Wandel zum Weniger ist greifbar nahe“.
Gleich zu Beginn machte er klar:
„Unter allen Utopien, die mir bislang so begegnet sind, gibt es eine, die so dumm und unverantwortungslos ist, dass man sie eigentlich nur – verbal – sturmreif machen kann. Und das ist die Utopie des Weiter so! […] Die Fortsetzung unserer Konsumgesellschaft wäre für mich beinahe eine Dystopie.“
Grenzen des „immer mehr“
Mittlerweile wissen wir alle, dass es so nicht weiter gehen kann. Wir begegnen durch unseren Wachstumswahn in allen Bereichen Grenzen – egal ob auf ökologischer, psychologischer oder sozialer Ebene.
- Am Earth Overshoot Day, der dieses Jahr bereits am 13. August lag, erkennen wir schnell und einfach die ökologische Grenze.
- Innerhalb von 10 Jahren – von 2003 bis 2013 – gab es einen exponentiellen Anstieg an psychischen Erkrankungen.
Es ist klar: Das immer Weiter, Schneller, Höher, Besser überfordert uns. Wir leben über unsere Verhältnisse.
Wie können wir nun Veränderung schaffen?
Das klingt alles so erschlagend und bedrückend… Also was können wir tun?
Eine Antwort darauf kann sein: Lebensstilveränderung, welche der Dreh- und Angelpunkt einer Transformation zum Weniger ist, meint Niko Paech.
Warum? Niko Paech kurz und knapp dazu:
„Weil die Reduktion des Konsums sich nicht delegieren, sondern nur auf individueller Ebene umsetzen lässt. Das ist keine Frage des Wollens, sondern des Könnens: Übung, Praxis, Routine und Konfliktfähigkeit – darum geht es!“
Wie kannst Du nun konkret zum Wandel beitragen?
Das möchte ich Dir an den von Niko Paech skizzierten sieben Prinzipien durch einige Ausschnitte aus seiner Keynote versuchen deutlicher zu machen. Es geht dabei um Handlungsoptionen außerhalb des Radars der Politik:
Jetzt NANU-Mitglied werden!
Du unterstütz damit dieses auf positive Ansätze ausgerichtete Projekt einer Gruppe von Akteur*innen des Wandels, die es lieben, Artikel, Podcasts und Videos rund um Wandel-Themen zu produzieren. Lasst uns gemeinsam ein Sprachrohr aufbauen für Ideen, Projekte und Menschen, die den Wandel vorwärtsbringen.
1) Nicht mehr, sondern weniger! (Reduktionsprinzip)
„Wachstumskritischer Wandel ist kein Unterfangen des zusätzlichen Bewirkens, sondern des kreativen Unterlassens, der Verweigerung und alltäglichen Widerstandsfähigkeit. Nichts ist kostengünstiger, einfacher, voraussetzungsloser und radikaler als Reduktion! Du brauchst dafür keine Gesetze, keine Technik, keine Genehmigungen, … Das klingt einfach und das ist es auch. Der Logik: ‚Ich brauch das nicht! Ich habe mich frei gemacht davon!‘ In einer Welt, die so globalisiert, komplex und so technisiert ist, ist das Einfache das Revolutionäre.“
Mehr zum Thema Nicht-Konsum findest Du auch in meinem letzten Artikel „Konsum oder Nicht-Konsum das ist hier die Frage“. Oder auch auf unserer Internet-Kampagne: geldfreier leben.
2) Lebe es vor und sprich darüber! (Prinzip der sozialen Diffusion)
„Wir können Reduktion nur über vorgelebte Beispiele umsetzen. Die Logik der Diffusion geht so: Die Annahme lautet, dass ein Mensch, wenn er etwas annimmt als neue Handlungsform, dies nie isoliert oder alleine entscheidet wie man das im Homo Oiconomicus oder der Rational Choice Theorie unterstellt. Ein Mensch würde sich gerade schwierige neue Terrains, die er oder sie besteigen will nur dann antun, wenn er oder sie sieht, dass es andere gibt, die es auch tun. Diese Vernetzung, diese Inspiration, dieses voneinander lernen – das ist soziale Diffusion. Das könnt ihr hier machen. Ihr macht das.“
Kurz und knapp:
„Selbstbegrenzung durch reale Beispiele vermitteln und deren Sichtbarkeit steigern.“
3) Sei authentisch! (Glaubwürdigkeitsprinzip)
„Alle Politiker*innen, die mir begegnet sind und die abends mit mir im Wirtshaus nach drei oder auch vier Gläsern Wein gesagt haben: ‚Jaja, stimmt ja eigentlich, was ihr Wachstumskritiker sagt, aber die Leute können es doch nicht. Wenn ich den Veggie-Day ausrufe dann werde ich stranguliert – dann kommt die BILD-Zeitung und richtet mich hin und danach meine eigene Partei.
Aber wenn da draußen welche sind, die das vorleben, ist das Alibi kaputt.
Was man sagt und fordert, kann irgendwie in Zweifel gezogen werden. Aber was Du an Handlungen an den Tag legst, das ist manifest! Das ist ein Fakt. Auch deshalb sind glaubwürdig vorgelebte Beispiele und nicht nur Spruchblasen genau das, was dazu führt, dass auch Gegenkulturen etabliert werden können.“
Kurz und knapp:
„Das Alibi der Politik durch subversive Gegenkulturen zerstören! Was jemand sagt, lässt sich immer in Frage stellen, aber eine umgesetzte Handlung ist unwiderlegbar.“
4) Gehe voran, probier Dich aus und bleib konsequent! (Avantgarde-Prinzip)
„Der größte Fehler – nein , einer der großen Fehler, es gibt ja genug – der Nachhaltigkeitsbewegung war es, gleich zu versuchen mit schicken ästhetisch aufgewerteten verträglichen Lösungen die Mehrheit zu erreichen. Da hat man alles verwässert. Guckt euch die Grünen, guckt euch die TAZ, guckt euch diese ganzen Großprojekte des grünen Aufbruchs von vor 30 Jahren an. Dann frei nach Heinz Rudolf Kunze: ‚Bin weit gekommen, aber was soll ich hier!‘ Da ist dann nichts mehr an Inhalten übrig geblieben, was noch irgendwie einen Niveauunterschied ausmachen könnte oder ein Lernpotentential wenigstens im Parlament. Joshka Fischer wollte am Ende nichts anderes mehr als Wolfgang Schäuble. Besser konsequent und ehrlich in der Nische neue Formen erproben, als angepasst und wirkungslos in der Masse untergehen. Es hat nie einen gesellschaftlichen Wandel gegeben, der nicht in den Nischen den Anfang hatte.“
5) Mach Dich unabhängig! (Resilienz-Prinzip)
„Es ist ein Fehler zu sagen, dass Reduktion nur mit Schutz der Lebensgrundlage zu tun hätte – es geht auch um Selbstschutz. Wie kann man sich so unabhängig machen von den Dingen, die sowieso untergehen, dass man es gar nicht merkt. Daseinsformen vorwegnehmen, die krisenfest sind.“
6) Sei nicht frustriert und mache weiter! (Anti-Frustrations-Prinzip)
„Der Erfolg unilateraler, lebensstilbasierter Aktionen bemisst sich nicht am aktuellen Zuspruch von Massen, sondern an deren zukünftiger Funktionsfähigkeit.“
7) Vernetze Dich mit anderen und werde aktiv!
Als letzter Schritt resultieren in Nikos Präsentation folgende Punkte:
- Dringend benötigt werden Reallabore, soziale Rettungsboote, konzertierte Aktionen und Orte der Vernetzung, an denen sich Postwachstumspionier*innen nicht nur begegnen, voneinander lernen, gemeinsame Übungsprogramme praktizieren, sondern sich gegenseitig bestärken können.
- Wachstumskritische Gegenkulturen sind immer das Resultat von sozialer Interaktion, gemeinsamer Übung und Bestärkung.
- Nur die Begegnung mit ähnlich Handelnden verhilft zur Reproduktion und Verbreitung utopischer Entwürfe.
Abschlussstatement der Keynote
Sehr motivierende und Hoffnung gebende Worte fand er zum Schluss seiner Keynote, die ich gerne mit euch teilen mag:
“Die Lebensstilveränderung, die nötig ist, um die reduktive Moderne anzustimmen, ist nicht der Rückzug ins Einzelne – im Gegenteil! Es ist das fröhliche Vernetzen und das Suchen nach Partnerinnen und Partnern. Und so etwas kann dann dazu verhelfen, postwachstumstaugliche oder überhaupt wachstumskritische Äußerungen von Utopien nicht nur zu stabilisieren – also zu reproduzieren, sondern auch zu verbreiten. Mit anderen Worten: Wir brauchen noch viel mehr utopivals!”
Welches Prinzip setzt Du bereits um und wie sieht diese Umsetzung konkret aus? Welches fällt Dir schwer umzusetzen?
Die gesamte Keynote und die Ergebnisse seines Workshops „Arbeit in der Postwachstumsökomie“ findest Du auf der Ergebnisseite des utopivals, und zum Abschluss ein Interview mit Niko Paech, das wir auf dem utopival führen durften.
Serie: Ergebnisse des utopvials 2015
Auf dem Mitmachkongress utopival gab es eine Menge Workshops und Vorträge. Dessen Inhalte und Ergebnisse möchte eine Gruppe an Teilnehmenden von dort hier nach und nach zur Verfügung stellen.
- Identität. Diskriminierung. Rassismus
- Von Utopien und lieben Menschen
- Ideen in die Welt tragen
- Mit Deinem Füller die Welt verändern
- Der Wandel zum Weniger ist greifbar nahe!
Danke Susanne für deinen ausführlichen Beitrag.Viele Jahre hatte ich ganz ähnliche Gedanken. Inzwischen hat sich das bei mir geändert. Auch ich kann nicht aus der Gesellschaft aussteigen und brauche meine Arbeit und mein Auto.Heute lege ich aber meinen Fokus mehr auf Fähigkeiten die ich in meiner konkreten Situation erwerben kann und die mir im Alltag zu mehr Unabhängigkeit verhelfen. Ich backe mein Brot und meine Kuchen selbst,mache mein Brennholz selber U d heute mit Holz, auch den Küchenherd.Icu baue Gemüse selber an halte Hasen und Bienen, und kann inzwischen meine selbstgenähten Kann Reaktionen auch draussen anziehen. Die Reaktionen meiner Umwelt sind durchweg positiv,Freu die wünschen sich regelmäßig selbstgebackenes Brot zu Festen oder Partys von mir, der Selbsterzeuger Honig wird mir regelrecht aus der Hand gestossen und inzwischen bekomme ich Stoffe und second Hand Ware geschenkt weil es sich rumgesprochen hat dass ich nähe. Da ich eine Sehr liebe Milchbäuerin habe kann ich auch Butter Quark Joghurt U d Frischkäse selber machen. Das gilt g alles noch von jetzt auf gleich U d war mit vielen Rückschlägen und Unzulänglichkeiten verbunden .Aber ich bleibe dran und dann habe noch genug Themen die ich mir in der Zukunft erarbeiten möchte. Ich habe schon seit Jahren keinen Fernseher mehr, einfach keine Zeit. Für mich ist Selbermachen der Weg zu Weniger Konsum U d mehr Selbstbestimmtheit.
Hallo,
ich finde euer Projekt wirklich bemerkenswert, damit wir uns nicht falsch verstehen. Die Welt und gerade unser Land braucht Andersdenkende. Gerne würde ich auch in meinem bzw. unserem Leben diesbezüglich etwas ändern. Mir scheint aber dass es nur sehr begrenzt möglich ist. Z. B. haben wir zwei Autos, weil wir auf dem Land leben. Wir sind hierher gezogen, weil wir uns eine Illusion vom idyllischen Leben auf dem Land machten und günstig ein Haus kaufen konnten. Mittlerweile bereuen wir es, denn es geht hier ohne Auto absolut nichts. Die Öffentlichen sind extrem teuer. Fahrgemeinschaften kann man auch vergessen, da die Leute hier sehr unter sich bleiben wollen. Anfangs habe ich es zuminest versucht. Die Frau von dem Mann, der mich mal mit nach Koblenz nahm, sieht mich heute noch so an als wollte ich ihr den Mann wegnehmen.
Ansonsten haben wir hier so gut wie keine Kontakte aufbauen können. Sicher fragt sich jemand, wo sich unser idyllische Landleben abspielt, im Hunsrück, dass zu allem Übel immer mehr mit Gewerbegebieten und Windrädern ( nein, Windkraft sind keine Alternative zur Atomkraft und trägt nicht zur Energiewende bei. Wer das noch glaubt, sollte sich mal informieren, denn das ist eine Lüge der Grünen, denen es nur um ihre eigene Karriere geht) verbaut wird.
Und von den Autos mal abgesehen, wie ist es möglich hierzulande (ich meine in der BRD) eure Ideen umzusetzen? Im Winter will man es nicht kalt haben, essen muss man auch und so weiter und krankenversichert muss man auch sein. Alles teuer.
Am liebsten würden wir das Haus verkaufen und uns einer alternativen Gemeinschaft anschließen, wie Ökodorf o. ä. Aber schon wieder wird es schwierig, denn können wir das Haus hier im Hunsrück verkaufen? Da brauchen wir einen Energiepass, der kostet auch wieder. Wir haben viel Zeug, Wohin damit? Wir haben ja alle zu viel, da will das doch keiner mehr haben. Vielleicht habe ich auch nur ein Brett vor dem Kopf und insgeheim wünsche ich, dass mir jemand es wegnimmt, aber wenn man erst mal in die kapitalistische Spirale reingekommen ist, scheint mir der Weg ein wenig ausserhalb fast nicht möglich. Es sei denn, man gewinnt im Lotto oder hat sonstwie Glück.
Und über eine Gehalt wie der Professer verfügen wir auch nicht. Er hat absolut nicht Unrecht mit dem was er sagt, davon bin ich überzeugt. Nur leben wir mittlerweile in einem Niedriglohnland (Dank Grüne und SPD) und es gibt viele Jobs, wenn man da nur 20 Stunden arbeitet, da kann man gleich Hartz 4 beantragen, wenn man es denn bekommt, was ja nun auch nicht erstrebenswert ist.
Wie gesagt, vielleicht brauchen wir, meine Ehemann und ich, nur einen Denkanstoß, um uns das Leben leichter zu machen.
Werdet Ihr nächstes Jahr wieder einen Konkress veranstalten? Gibt es auch bald nochmal ein Webinar? Leider konnte ich im Dezember nicht teilnehmen. Wünsche Euch allen einen guten Start ins neue Jahr.
Grüße Susanne
Liebe Susanne,
danke Dir sehr für Deine Anmerkungen.
Natürlich kann ich nicht auf alles im Einzelnen eingehen, aber vielleicht so viel:
– Du hast unbedingt Recht, dass ein geldfreieres leben und damit speziell die Idee des miteinander Teilens vor allem soziale Netzwerke braucht. Wenn das aus welchen Gründen auch immer nicht möglich ist, wird das natürlich im Allgemeinen schwer. Ich wünsche euch sehr, dass ihr Menschen findet, die eure Ideen teilen.
– Wie wir die Idee konkreter umsetzen, kann über verschiedene Artikel versucht werden ein bisschen mehr nachzuvollziehen und gerne auch über den 20 Tage Newsletter unter http://geldfreierleben.de
Hier gehts zu ein paar Artikeln: MyMonk – 7 Dinge, die ich in 2,5 Jahren geldfreiem Leben gelernt habe, Experiment Selbstgversorgung – Geldfrei.er leben – Rückblick, Einblick, Ausblick
– Wir haben auf jeden Fall das Glück, dass wir gar nicht erst in das Hamsterrad reingezogen wurden. Wenn Du dort erstmal drin bist, ist der Prozess des Herauslösens sicherlich nicht der Einfachste, aber sicherlich auch spannend und je nach Situation auch sinnvoll.
– In 2016 werden wir wieder den Mitmachkongress verwirklichen. Ein weiteres Webinar gibt es am 17.01. und das eBook „Lebe Deine Utopie“ zur Inspiration und Motivation kannst Du Dir hier downloaden.
Soweit erstmal von mir.
Hoffe, dass es Dir ein bisschen weiter helfen konnte.
Ernergiepass brauchst du für dein Haus nicht. Such mal nur so zum Spass nach einer Wohnung. So manche Vermiter weisen daraufhin, dass sie ihn nicht haben, weil er nicht gesetzlich ist.
Danke Dir für den Hinweis.
Aber so ganz verstanden habe ich noch nicht, worauf sich das bezieht …