Für ein Gutes Leben für alle müssen wir den Kapitalismus abschaffen

Ein Gespräch über Privilegien, Macht, Zwänge im Kapitalismus und Wege daraus

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Von Tobi Rosswog
1. April 2021

Nach einer ersten Pilotphase 2019 geht das FFJ – das freiwillige freie Jahr – ab August 2021 in die zweite Runde. Im aktuellen Orgateam ist auch eine Person dabei, die beim ersten Mal teilnahm und nun ihre Veränderungswünsche mit einbringen kann, um ein wunderbares FFJ zu gestalten. Vor gut 10 Jahren wollte ich auch schon ein FFJ machen, aber leider gab es das noch nicht. Und so habe ich soetwas mir damals selbst organisiert und alleine gemacht. Ich bin ganz begeistert vom FFJ und deswegen schnacke ich heute mit zwei Menschen aus dem Projektteam – Chris und Lama, um einen besseren Einblick zu bekommen und die Idee mit euch zu teilen. Los gehts!

Tobi Rosswog: Liebe Lama und lieber Chris – stellt euch bitte kurz vor.

Lama: Zusammen mit Chris, Kerstin und Joschik organisiere ich das Freiwillige Freie Jahr 2021. Ich bin seit vielen Jahren im Bereich Pädagogik tätig, vor allem mit Kindern im Grundschulalter. In den letzten Jahren habe ich mich unter anderem im Bereich der Asylbegleitung und des Klimaschutzes engagiert und auch dabei Bildung und Lernen immer wieder in den Vordergrund meiner Arbeit gestellt. Ins FFJ starte ich voller Vorfreude und guter Laune!

Chris: Einverstanden. Ausnahmsweise überspringen wir die „Wie geht‘s mir“-Runde mal. [Chris zwinkert] Neben dem FFJ, beteilige ich mich gerade unter anderem bei der Organisation des „Move Utopia“ und des neu entstehenden, solidarischen Wohnprojekts „Blaues Haus“. Letzteres sucht übrigens noch solidarische Mitbewohnis und Direktkredite. [Chris zwinkert wieder] Durch Privilegien, wie derzeit gerade nicht Lohnarbeiten gehen zu müssen und ein solidarisches Umfeld in und um das K20 Projekthaus zu haben, bleibt für mich auch die nötige Energie da, um mich in verschiedene Projekte freiwillig einzubringen.

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Tobi Rosswog: Ihr macht das FFJ mit zwei weiteren Leuten zusammen. Was ist das genau?

Lama: Das FFJ ist ein Vollzeit-Bildungsangebot, dass Menschen ermöglicht sich mit verschiedensten Themen zu beschäftigen. Während des FFJs sollen dabei alternative Lebenswege gemeinsam beschritten werden und so nicht nur theoretisch durchdacht, sondern auch praktisch gelebt werden. Dazu gehört auch das Leben in einer Gemeinschaft, die Finanzierung über eine Gemeinschaftliche Ökonomie oder das Skillshare (sich gegenseitig Dinge beizubringen). Wir vom Orga-Team bereiten zwar viel vor und sind auch während des Jahres begleitend dabei, die Idee ist aber auch, dass sich die Gruppe selbständig und unabhängig organisiert.

Das FFJ ist ein bedürfnisorientiertes, 8 monatiges Vollzeit-Programm, das dir die Möglichkeit bietet, dich zusammen mit den anderen FFJ-Teilnehmer*innen, in sozialen, politischen und ökologischen Themen weiterzubilden und so mehr über dich und deine Umwelt zu erfahren.

Webste: http://Freiwilliges-freies-Jahr.de

Ein spannendes Programm mit vielen Workshops wird im Vorhinein von uns organisiert. Jede Woche kommen Expert*innen und geben Workshops zu Themen wie Klimabewegung in Deutschland und weltweit, nachhaltigem Aktivismus, Queer-Feminismus oder Strategien zum gesellschaftlichen Wandel. Eingeplant ist auch eine Sport-und Bewegungswoche und eine Projektwoche zu Theater der Unterdrückten. Handwerklich wird’s dann bei unserer Bau- und Gartenwoche und während den selbstgestalteten “Unterwegszeiten“ können Teilnehmende ihre Interessen ausbauen und bei anderen alternativen Projekten vorbeischauen.

Chris: Neben dem Schaffen von einer tauschlogikfreien, bedürfnisorientierten Bildungsmöglichkeit mit stärkerem Fokus auf Aktivismus, sehe ich im FFJ ein megagroßes Potenzial, sich mit anderen Aktivisti aus verschiedenen Bewegungen zu vernetzen. Aus den Aktionen anderer Menschen zu lernen und ggf. durch diese Menschen leichten Anschluss zu bereits bestehenden politischen Gruppen zu finden, empfinde ich als eine sehr positive Verflechtung. Ich sehe das FFJ daher nicht nur als ein reines Bildungsangebot, sondern als ein emanzipatorisches Projekt, das mit dem offiziellen Ende des FFJs für alle Teilnehmenden und Organisator*innen (hoffentlich) nicht abgeschlossen ist.

Tobi Rosswog: Das klingt fantastisch. Warum macht ihr das?

Lama: Häufig wird mit Bildung Schule, Ausbildung oder Universität verbunden. Diese Strukturen sind allerdings sehr starr, wenig Mensch-zentriert und lassen kaum Platz für individuelle Bedürfnisse. Vielen Menschen werden jedoch nur diese Bildungsmöglichkeiten präsentiert, Alternativen sind oft teuer oder an aufwändige Auslandsreisen geknüpft. Wir wollten eine Alternative schaffen, die ein Bildungsangebot jenseits von starren Institutionen bietet, bedürfnisorientiert und kostenlos.

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Deshalb haben wir uns entschlossen das FFJ 2021 zu starten um ein selbstorganisiertes und freies Lernangebot für Erwachsene zu schaffen, das Raum lässt für eigene Interessen und trotzdem viele Anreize schafft.

Bildung sollte tauschlogikfrei sein

Chris: Bildung bzw. das durch Bildung vermittelte Wissen trägt grundlegend dazu bei, wie Menschen politisch handeln. Wenn eine tauschlogikfreie Wirtschaft angestrebt wird, braucht es auch tauschlogikfreie Bildungsmöglichkeiten. Wenn eine herrschaftsfreie Gesellschaft angestrebt wird, braucht diese auch möglichst herrschaftsfreie Bildungsmöglichkeiten. Damit die politische Bildung kein Selbstzweck ist und Kritik nicht nur hauptsächlich im Kopf verweilt, wäre es doch schön sich auch gleich mal daran zu versuchen, direkte Veränderungen hervorzubringen. Da eher sehr wenige emanzipatorische Bildungsprojekte existieren, die kritische Analysen und Selbstreflexion mit politischem Aktivismus verbinden, ist der Grund für mich klar: Projekte wie das FFJ braucht es für einen radikalen Wandel

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Banden bilden zwischen innerem und äußerem Wandel

Tobi Rosswog: Was ist das Besondere am FFJ und warum sollten junge Menschen das machen?

Lama: Erstmal vorweg: alle Menschen sollten das machen ;) Wir haben uns aus verschiedenen Gründen entschieden das FFJ ab 18 Jahren anzubieten, nach oben ist aber keine Altersgrenze gesetzt. Jeder volljährige Mensch, der Lust auf dieses Angebot hat kann sich gerne anmelden und bei Fragen auch einfach Kontakt mit uns aufnehmen.
Tatsächlich bin ich überzeugt, dass Menschen sehr davon profitieren würden, wenn auch außerhalb der eigenen Generation Freundschaften gepflegt und Wissen ausgetauscht wird.

Gute Gründe mitzumachen gibt es für alle Altersstufen genug. Abgesehen davon, dass das FFJ eine tolle Möglichkeit bietet andere spannende Menschen kennenzulernen, aus dem Alltag auszubrechen und viel Neues zu erfahren, werden die Teilnehmenden sicher auch merken, dass ein solches Jahr intensiv ist, zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen kann und einfach viel Spaß macht!

Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr darauf, dieses Jahr zu begleiten! Für genauere Infos zum Programm schaut gerne auf unserer Website vorbei: http://freiwilliges-freies-jahr.de/

Chris: Das Besondere am FFJ ist für mich das Format und der Name selbst. Es klingt vielleicht so, als wäre dahinter eine größere Organisation. Tatsächlich haben sich aber einfach vier Menschen selbstorganisiert zusammengetan, um ein partizipatives, herrschaftskritisches Bildungsprojekt mit verstärktem Fokus auf Aktivismus anzustoßen. Nicht nur für Teilis kann das FFJ selbstermächtigend wirken, sondern auch für Organisator*innen. Lieber das hier lesender Mensch, trau dich selbst ein FFJ oder etwas ähnliches – auch unabhängig von uns – mit anderen Menschen zu organisieren. Nimm dazu gerne mit uns Kontakt auf.

Tobi Rosswog: Herzlichsten Dank euch für die Antworten und eure Zeit.

Wie findet ihr die Idee des FFJs? Würdest Du sowas machen? Schreibs gerne in die Kommentare.

Dieser Artikel ist mehr als ein Jahr alt. Es muss daher nicht sein, dass wir jedes einzelne Wort immer noch so schreiben würden wie damals. Wenn Fragen sind, kommentiere einfach zum Artikel, dann antworten wir Dir gerne.

3 Gedanken über “Für ein Gutes Leben für alle müssen wir den Kapitalismus abschaffen

  1. Gerd und Christine Spranger

    Vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag. Wir alle wünschen uns doch ein gutes Leben und sollten es auch unseren nächsten gönnen. Ein gutes Leben bedeutet für uns, ein selbst bestimmtes, freies und erfülltes Leben zu führen. Das umsetzen zu können setzt voraus, sich selbst gut kennengelernt zu haben und zu wissen, was man vom eigenen Leben erwartet.
    Wie muss unser Leben aussehen, damit es zu uns passt? Die eigene Lebensgestaltung ist für viele junge und auch noch ältere Menschen eine echte Herausforderung. Für manche so anstrengend, dass sie es vermeiden, sich Gedanken darüber zu machen.
    Und dennoch gibt es doch einige gute Tipps, die jeder für sich mitnehmen kann, wenn er ein gutes Leben führen möchte. Wer sich bewusst ist, dass sein eigenes Denken ausschlaggebend dafür ist, wie er lebt, ist schon ein schönes Stück weiter gekommen. Die eigene Gedankenwelt – wie sie auch immer ist – manifestiert sich in der Lebensrealität.
    Wir erleben unser eigenes Leben ganz subjektiv. Unsere Erfahrungswelt ist ausschlaggebend dafür. Wer sich als Opfer sieht, lebt wahrscheinlich wie eines.
    Was ist die Quelle für viele Probleme im Leben? Unserer Erfahrung nach ein mangelndes Selbstwertgefühl und uns behindernde, einschränkende Glaubenssätze, die jeder von uns verinnerlicht seit seiner Kindheit. Wer denkt, Arbeit bedeutet immer Stress, kann wenig Spaß dabei entdecken, etwas zu schaffen. Wer denkt, das Leben ist zu hart, wird ebenfalls wenig Leichtigkeit in seinem Dasein finden.
    Ein gutes Leben können wir führen, wenn wir uns trauen, auf unsere innere Stimme zu hören und ihr folgen. Denn dann folgen wir unserer eigenen Bestimmung. Diese zu entdecken bringt in die eigene Mitte und lässt das Leben sich sinnvoll anfühlen. Und das ist es, was sich jeder wünscht: Ein sinnvolles, erfülltes Leben zu führen.

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