Ist Selbstversorgung nicht arschteuer?

Unsere Antwort auf eine immer wiederkehrende Frage.

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Von Michael Voit (geb. Hartl)
30. November 2013

Wir bekommen ja täglich einige Nachrichten. Wie schon öfter erwähnt scheint die Finanzierbarkeit eines solchen Lebens für viele völlig unvorstellbar! Und daher kommen nicht selten Anfragen wie diese aktuelle Email:

Ich verfolge eure Seite nun schon seit einer Weile und frage mich seitdem wie ihr an diesen Hof rangekommen seit. Ich habe mir die Antworten von „Wie komme ich an einen Hof?“ durchgelesen aber wirklich schlauer bin ich dadurch nicht.
Ich meine, ist das nich arschteuer? Wie habt ihr das finanziert?

Was ist ein Hof? Was ist teuer?

So simpel solche Fragen klingen, so klar sind doch die Auswirkungen der unterschiedlichen subjektiven Bewertungen. Was ist ein Hof? Ein einzelnes, bäuerliches Gebäude, das man ein wenig herrichten muss, bevor man darin leben kann oder nur der riesige, top-sanierte Vierkanter? Da liegen, wenn man unbedingt kaufen will, Hunderttausende dazwischen! Der Hof an dem wir vor vier Jahren in Niederösterreich begonnen hatten war zum Beispiel ein kleines Gebäude mit fünf Räumen. So wie alle anderen Hofgebäude, die dann der Reihe nach unser Zuhause waren. Keines davon, auch das nicht, in dem wir nun unser Leben gestalten, haben wir jemals gekauft.

Und wer sich die Pachtpreise für Land und die eben oft dazu nutzbaren alten Hofgebäude mal anschaut – gerade in Gegenden die weiter weg von Großstädten sind und als „abgelegen“ oder „aussterbend“ bezeichnet werden – wird sehen, dass das in so mancher Region deutlich günstiger ist, als eine kleine Wohnung in München oder Wien zu mieten. Stellt sich für mich also eher die Frage, wie sich all die Stadtmenschen diese arschteuren Wohnungsmieten leisten können!

Selbstversorgung ist mehr als Gemüse ernten

Wenn sich nun aber jemand statt für das Pachten für den Kauf eines Stück Landes entscheidet, gibt es auch hier riesige Kostenunterschiede. Ganz entscheidend ist, ob es einfaches Ackerland ist oder ob die Menschen nach einem Stück Land Ausschau halten, das eine irre Menge Altbaumbestand hat, von einer perfekten Wildobsthecke von allen umliegenden Flächen abgegrenzt wird und mindestens zwei Trinkwasserquellen hat. Wer zweites will: Viel Spaß beim Schuften und Sparen! :)

Ich finde den Weg interessanter, eine Wiese oder einen Acker in einer leistbaren Gegend zu kaufen und dieses Stück Land selbst in mein Paradies zu verwandeln. Die Büsche, Kräuter und sonstige Pflanzen selbst vermehren, die Bäume selbst auf Sämlinge veredeln und groß pflegen. Du kannst um 25 Euro einen schon recht großen, tollen Apfelbaum von der Baumschule kaufen – oder 25 Unterlagen (Bäume) auf die du selbst deine Lieblingssorten veredelst. Und nach vier oder fünf Jahren siehst du keinen Unterschied mehr – wenn dann sind die Bäume, die als sehr kleine Wesen schon an ihren endgültigen Bestimmungsort gepflanzt werden dann gesünder und größer.

Schritt 5: Noch ein wenig der Anpflanz-Mischung dazu
Nichts ist schöner (und günstiger), als einen selbst gezogenen Strauch oder einen selbst veredelten Baum zu pflanzen!

Und wer den Weg wie wir aus positiver Motivation und ohne selbstauferlegten Druck geht, der weiß, dass alles nicht nur seine Zeit braucht, sondern auch seine Zeit hat. Warum soll ein Garten, den irgendjemand als den idealen Selbstversorgungsgarten bezeichnet, von heute auf morgen entstehen? Mit hohem Aufwand an Kosten und Arbeit, nur um sich dann Selbstversorger*in zu nennen? Warum alles so hastig? Ist nicht das, um was es bei der Idee von Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung geht, das genaue Gegenteil von hastigem, zwanghaften Erreichenwollens eines völlig subjektiven Ideals um jeden Preis?

Nutzen statt haben

Vor allem, wenn es doch gar nicht nötig ist, jetzt sofort einen kompletten Bestand an ausgewachsenen Obst- und Nussbäumen selbst zu haben. Und selbst eine Wildobsthecke zu haben. Und alles andere auch selbst zu haben. Eine Saftpresse selbst haben. Was auch immer. Weg vom Haben! :) Die Welt ist so voll mit tollen Dingen, mit ausgewachsenen Bäumen und mit lieben Menschen, die das, was sie haben gerne mit netten, offenen Menschen teilen.

Wir haben auf dem Stück Land, das wir hier pachten, einen jungen Nussbaum und zwei große Apfelbäume. Die Apfelbäume hatten dieses Jahr einen Totalausfall. Kein einziger Apfel! Der Nussbaum hat uns zwei Hand voll Walnüsse geschenkt. Das wars – die vielen Jungbäume, die wir Anfang des Jahres gepflanzt haben, hatten dementsprechend natürlich keinen Ertrag.

Foto zweier Äpfel - einer von einer überdurchschnittlich großen Sorte, einer von einer recht winzigen Sorte.

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Und trotzdem haben wir kistenweise Äpfel und Birnen zu essen gehabt – Nüsse und späte Äpfel eingelagert – so viel Obst verarbeitet und direkt gegessen, das nicht aus unserem Garten kommt – Gemüsesorten gegessen, die wir nicht selbst angebaut haben – und so weiter. Einfach weil die Menschen, mit denen man sich befreundet, wenn man offen und helfend in einer Region lebt, das alles mit uns teilen.

Dieser Artikel ist mehr als ein Jahr alt. Es muss daher nicht sein, dass wir jedes einzelne Wort immer noch so schreiben würden wie damals. Wenn Fragen sind, kommentiere einfach zum Artikel, dann antworten wir Dir gerne.

30 Gedanken über “Ist Selbstversorgung nicht arschteuer?

      1. Anja

        Ach so, ja, die Sache mit der sexuellen Vermehrung…
        Aber ich könnte dann also theoretisch einen Baum aus Samen anziehen und wenn der groß genug ist, eine Reiser vom selben Baum auf diese Unterlage aufpfropfen, oder?

  1. Bernd

    Hallo,

    ich les hier nun schon ein paar Tage, und finde vieles auch sehr interessant.

    Wirklich teuer wird eine teilweise Selbstversorgung (und mehr halte ich nicht für sinnvoll durchführbar, das wär ja ein Leben wie vor der Steinzeit) doch eigentlich nur, wenn ich in dicht besiedelten und/oder wirtschaftlich erfolgreichen Gegenden einen entsprechend großen Hof für eine weitgehende Selbstversorgung kaufen oder pachten will.
    Aber wir haben auch hier in Deutschland Gegenden in denen man für kleines Geld schon ein recht großes Stück Land bekommt.
    Für die unvermeidbaren Kosten die einem immer bleiben kann man neben euren Ideen auch im Zweifel die Auswüchse des Sozialabbaus nutzen. Sucht man sich halt für den Winter eben ne Leiharbeitsfirma, die man dann eben auch ohne Gewissensbisse wieder verlassen kann.

    Für mich ist der Zug Selbstversorgung im größeren Stil zwar abgefahren, aber zumindest die Kleingärtnerrei haben wir dieses Jahr angefangen. Auch wenn sich darüber hauptsächlich Kohlweislinge und Wühlmäuse gefreut haben. Trotzdem sind diverse Pläne zur Erweiterung der Anbaufläche bereits vorhanden.

    Insgesamt halte ich aber das Grundkonzept das bei euch dahintersteckt zwar für richtig, aber nicht funktionabel. Der Großteil der Weltbevölkerung will sicher nicht zurückstecken sondern eher noch aufholen.

    Gruß

    Bernd

  2. Dani

    Hallo!

    Ich lese schon länger die tollen Artikel auf eurer Seite. Was ihr lebt wäre (beinahe) mein Traum. Allerdings würde ich mich niemals trauen meinen (tatsächlich!) heißgeliebten und gut bezahlten Job aufzugeben um in eine Gegend zu ziehen wo ich mir ein kleines Bauernhaus leisten könnte. Dort hätte ich kein geregeltes Einkommen…das geht m. M. nach nur solange gut, solange man gesundheitlich in der Lage ist selbst anzupacken. Aber was ist dann? Alleine was eine Brille kostet…Für mich bedeutet Geld einfach Sicherheit.

    Deswegen wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis ich meinen eigenen Garten habe…aber zum Glück kann man auch in einer Mietwohnung selbst Brot backen und Marmelade einkochen. Das Obst dafür bekommt man ja wirklich von den Glücklichen geschenkt die zu viel davon haben und keine Zeit es einzukochen…

    lg, Dani

  3. Matthias

    Wunderbar :D

    Ich bin in der glücklichen Lage, einen freundlichen und verständnisvollen Verkäufer gefunden zu haben, der es mir ermöglicht einen kleinen Hof in Ungarn durch eine hohe Miete zu kaufen: 340.- monatlich, für 4 1/2 Jahre, ohne Zinsen oder sonstigen „Spaß“. ;)

    Wer da mitmachen möchte, ist herzlich eingeladen, das Ziel ist eine möglichst autonome und vegane Selbstversorgung.

  4. Stefan the Herbalist

    Also,

    wir, ich (29) und meine Freundin Kira (25) kommen aus Braunschweig City. Wir haben uns vor gut einem Jahr einen Kleingarten (1,5km Entfernung) angemietet. Der GArten ist 450m² groß. Ein Steinhaus mit etwa 20m² Fläche und ein Gewächshaus sind mit im Mietvertrag enthalten außerdem haben wir Strom und fließend Wasser. Die Miete pro Jahr inkl. Versicherung, Wasser, Strom….beläuft sich auf etwa 250 – 300 €.

    Wir konnten den Garten umsonst übernehmen, da sich dieser in einem miserablen Zustand befand. Dazu gehörten dann noch ein Elektrorasenmäher und komplettes Geschirr inkl Töpfen und anderen Küchenutensilien. Einziger Nachteil ist das wir dort keine Toilette haben, allerdings tuts ja auch nen Eimer.

    Auf jeden Fall haben wir diese Saison schon reichlich geerntet. Alles biologisch. Wir haben ein Stück Lebensqualität dazugewonnen und haben unsere Freunde und Bekannten inspiriert mehr in Richtung Selbstversorgung zu denken. Ein schöner „Trend“ wie ich finde.

    Also vielleicht fängt man einfach erstmal klein an um für sich zu schauen, ob einem diese Arbeit und Verpflichtung liegt. Ich fahr jetzt erstmal in den Garten und hole den 50kg Kürbis der dort noch liegt und koche eine leckere Kürbissuppe für den Geburtstag von Kira am Freitag.

    Keep on planting and chanting.

    Herb is the healing of the nation
    Blessings

    Stefan the Herbalist

  5. T-Rex

    Moin,

    also wäre das ein Aufsatz würde ich sagen setzen 6 – Thema verfehlt.
    Die Frage wie ihr euch das Leisten könnt habt ihr nicht beantwortet! Kosten minimieren ist schön und gut, aber es bleiben nunmal Kosten übrig. Wie bezahlt ihr die? Wenn ihr euer Land nicht gekauft habt, wie zahlt ihr die Miete bzw. Pacht?

  6. Habnix

    Man muss nicht unbedingt Land haben, passende Pflanzenbehälter mit Pflanzenerde können es auch tun.Dies so fern tragfähig auf Flachdach einer Garage oder Haus oder Terrasse oder Balkon oder Fensterbrett um zu mindest Teilweise oder ganz Selbstversorgung zu betreiben.

    Unabhängigkeit also Freiheit, ist manchmal nur einen Schritt entfernt.

    Unabhängigkeit ist nur ein anders Wort für Freiheit.

    Um mit anderen die auch die Selbstversorgung zu Hause betreiben wollen, in Kontakt zu treten, sollten man als Erkennung einen Pflanzenbehälter mit Erdbeerpflanzen auf das Fensterbrett stellen oder sonstwo Sichtbar .Natürlich nicht das Fensterbrett an der Wetterseite(Richtung Norden) benutzen.

    Es wäre schön mehr Gleichgesinnte in der Nachbarschaft anzutreffen.

    Gut Ding will weile haben.

    Bsp: Bilder http://web.archive.org/web/20140720100630/http://www.ginsterburg.de/t72f4-Die-wahre-Revolution-ist-die-Selbstversorgung.html

  7. Thomas Edmund Mueller

    Ist Selbstversorgung teuer? Nein! Zumindest sollte sie das nicht sein.
    Denn hier geht es darum, wie bei baeuerlichen Familienbetrieben, sozusagen etwas aus dem Nichts zu produzieren. Natuerlich nicht vollkommen aus dem Nichts, sondern aus der Erde, der Natur zu produzieren. Doch die braucht kein Investment, um was zu schaffen!
    Man sollte sich hueten vor Gedanken wie „Wenn dies oder das erst investiert ist, dann klappt es besser…“ Unsinn! Dann ist das Geld weg!
    Und es immer viel, viel leichter Geld einzusparen als es zu verdienen.
    Das ist ja auch klar, warum.
    Beim Sparen betrifft es nur einen selber, beim Verdienen sind noch andere dabei. Deshalb ist das Verdienen schwerer, denn andere wollen auch zu gerne das gleiche verdienen…

    Man hat als Selbstversorger auch mehr Zeit. Normalerweise.
    Bei mir war es jedenfalls so. Da konnte ich ohne weiteres etwas selbst machen, was bei mir wohl drei Mal so lange gebraucht hat als bei anderen, das heisst, „oekonomischer“ (Zeit-Geld) waere es wohl gewesen,
    das entsprechende Produkt zu kaufen.
    Aber mein Geld waere weg gewesen, und vielleicht haette ich fuenf Mal so viel Zeit wie andere aufwenden muessen um das Geld wieder zu verdienen!?
    Ausserdem macht das Selbermachen Hundertmal mehr Spass!
    Und das Erfolgserlebnis! Und das Gefuehl der Sicherheit,
    wenn man Dinge selbst reparieren kann, selbst herstellen kann…

    Selbstversorgung ist nicht nur, dass man sich selbst etwas zum Essen produziert. Das ist vielleicht 5 % der Sache.
    Selbstversorgung ist ein eigener Lebensstil mit einem Potenzial an Glueck! und Zufriedenheit, einem Lernpotenzial, einem Aneignen von Wissen (und Wissen ist Macht), das jeden anderen Beruf weit in den Schatten stellt!
    Um Geld macht man sich da nicht mehr viel Gedanken…

  8. Die Kärntnerin

    Genauso soll es sein! Teilen und gegenseitig helfen! Ich freu mich immer ganz besonders, wenn mein Garten zu viel für uns hergibt und ich etwas verschenken kann und dann noch jemanden finde, der total begeistert ist von ein paar Zucchini, einer Fuhr Mangold oder ein paar Rüben.

  9. grübler

    Hallo Michael,

    teuer ist relativ, wir verwenden ja nur immer Geld als Vergleichsmittel. Man müsste mehr vergleichen, z.B.: Zeit, Spass, Nachhaltigkeit,… Besitz ist immer mit höheren Investitionskosten verbunden, hat aber auch eine gewisse Nachhaltigkeit.

    Selbstversorgung kommt für mich nur in kleinen Bereichen in Frage. Ich esse gerne Fleisch und würde nur ungern darauf verzichten. Der Arbeits- und Zeitaufwand für Tierhaltung kommt für uns aber nicht in Frage. Massentierhaltung ist sicher nicht optimal, dadurch wird es aber erst möglich die entsprechend notwendige Menge an Fleisch zu erzeugen. Mit eurem Hof könntet ihr vermutlich auch effektiver sein, wenn ihr euch auf einige wenige Lebensmittel konzentriert und andere dagegen eintauscht.

    Wir machen ja auch nichts anderes, ich übe einen Beruf aus, der mir Spass macht. Allerdings verbringe ich damit zuviel Zeit, so dass sehr wenig für Familie und Freizeit bleibt. Ich habe aber auch nicht vor, das auf Dauer zu machen. Ich tausche dann mein Geld gegen Lebensmittel. Geld hat einfach den Vorteil, dass es jederzeit gegen etwas anderes eingetauscht werden kann. Die Geldmenge variert dabei, aber ich fühle mich trotzdem freier als wenn ich nur auf meinen Garten angewiesen bin.
    Mich würde interessieren wie ihr eure Zukunft plant bzw. wie weit eure Planung im voraus geht (2 Jahre, 5 Jahre?). Wie schaut euer Pachtvertrag aus? Kann sich der Besitzer nach 10 Jahren über einen fertigen Selbstversorgerhof freuen und ihr steht auf der Straße?

    1. Avatar-FotoMichael Hartl Beitrags Autor

      Lieber Grübler,

      ja, das kann passieren, dass wir hier mal weg müssen. Deswegen werden wir im nächsten Schritt auch beginnen auf einem eigenen Stück Land einen Garten zu entwickeln, denn auf Dauer wollen wir nicht alle paar Jahre weiterziehen, so wie es die letzten Jahre war.

      Alles Liebe,

      Michael

  10. Thorsten

    Ich habe zusammen mit meiner Partnerin 8 Jahre auf den Ålandinseln – einer autonomen Region zwischen Schweden und Finnland – ein kleines Ökoprojekt betrieben. 2.500 qm eines Resthofs mit zwei Gebäuden plus Garten mit mehreren alten Obstbäumen. Dazu kleinskaliger Ökotourismus.

    Nach unseren Erfahrungen bedeutet Selbstversorgung keineswegs, daß man alles alleine produzieren muß. Gerade in einer dörflichen Umgebung – wir lebten in den Außenschären auf der kleinen Insel Kumlinge mit 250 Einwohnern – ergeben sich fast von alleine diverse Möglichkeiten zum Tauschen und Ausleihen. Oftmals ohne Kosten.

    Wer näher an der Stadt wohnt, hat dahingegen ein größeres Potenzial, in Second-Hand-Läden oder auf Flohmärkten fündig zu werden. Oder sich einem Tauschring anzuschließen. Wobei schon eine Kleinstadt diese Ressourcen bieten kann. Wie in unserem Fall Mariehamn – mit 11.000 Einwohnern die „Hauptstadt“ der Ålandsinseln.

    Letztendlich sind ein paar freundliche Worte und mal eine helfende Hand die wichtigsten Türöffner für soziale Kontakte zum gegenseitigen Nutzen.

    Kaufen? Pachten? Mieten? Diese Frage erscheint mir als der Knackpunkt, wenn man seine Zukunft neu gestalten möchte. Mittlerweile kennen wir alle drei Varianten aus eigener Erfahrung. Jede von ihnen hat ihre Vor- und Nachteile:

    – Kaufen gibt die größtmögliche Freiheit, Sachen nach eigenem Gutdünken umzugestalten. Hat man nicht gerade einen dicken Geldsack auf der hohen Kante (wobei dick durchaus individuelle Maßstäbe hat), kommt man sehr schnell und für längere Zeit in finanzielle Abhängigkeiten von der Bank.

    – Mieten bietet die größtmögliche Freiheit weiterzuziehen, wenn es doch nicht so perfekt ist, wie es den ersten Anschein hatte. Auf die Dauer kostet es dafür mehr, und der individuelle Gestaltungsraum bleibt deutlich kleiner.

    – Pachten ist sozusagen der (nicht immer ideale) Mittelweg zwischen den Polen. Und wenn man unter Zuhilfenahme öffentlicher Beiträge investieren will (z.B. in eine umweltfreundlicheres Wärmesystem), bleibt man schnell in den Fallstricken der Bürokratie hängen. Wir selbst haben uns letztendlich nach zwei Jahren Miete / Pacht genau wegen der geplanten und notwendigen Investitionen in unser Anwesen mehr oder weniger entschließen müssen zu kaufen.

    Der Weg in die Selbstversorgung als Weg zu sich selbst? Für mich würde ich das aus heutiger Sicht bestätigen. Es ist allerdings ein Weg, der ungeahnte Wendungen und Biegungen mit sich führen kann. Geradlinige Lebensplanungen können da schon mal in Frage gestellt werden.

    Der skandinavischen Sommer mit seinen langen, hellen Tagen weckt in mir jedesmal das berauschende Gefühl, welche Reichtümer die Natur uns ganz von alleine, jedes Jahr wieder schenkt. Um mich herum pulsiert das Leben.

    Im Spätsommer dann die Schatzkammern voll mit wilden Beeren und Pilzen, die in Skandinavien jedermann für den Eigenbedarf pflücken darf – unabhängig davon, wem das Land eigentlich gehört.

    Ich denke an unsere alten Apfelbäume, die uns treu bis lang in den Winter mit Äpfeln versorgen. Unser kleiner Pflaumenbaum, der jedes Jahr soviele Pflaumen trägt, das wir angefangen haben, Pflaumenwein herzustellen, um den köstlichen Geschmack zu bewahren. Überhaupt die Herausforderungen, die ganzen Schätze aus Garten und Wald für die Ruheperiode des Winters zu konservieren – Trocknen, Gären, Einmachen.

    Selbstversorgung bedeutet für mich auch, Dinge auszuprobieren, die ich vorher noch nie gemacht habe. Auf einer kleinen Insel, die vom nächsten Spezialisten eine Tagesreise entfernt ist, entwickelt man schnell sein Improvisationstalent und entdeckt das Potenzial in dem, was vorhanden ist.

    Zu experimentieren bedeutet für mich aber auch, selbst Verantwortung zu übernehmen. Das meine ich nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch mir selbst gegenüber – z.B. bezüglich meiner Gesundheit. Für mich ist es ganz wesentlich geworden, meinen persönlichen Bio-Rhythmus leben zu können und Zeit für mich selbst zu finden. Zeit, mir Fragen zu stellen. Oder auch mich mal in Frage zu stellen.

    Alles in allem ein faszinierender Entwicklungsprozess, der allerdings auch mal, wie gesagt, unerwartete Wendungen nimmt.

    Was für uns nun Anlaß geworden ist, unser Anwesen im åländischen Schärengarten in neue Hände zu geben. In unserem selbstgefilmten Video auf Youtube mehr dazu – für alle, die ihrem Traum vom Leben als Selbstversorger in Skandinavien einen Schritt näher kommen wollen. Auf Wunsch berichten wir gerne mehr.

    1. Maren

      Wow! Das ist ein echtes Paradies!! Ich liebe Schweden und beschäftige mich Schon seit einiger Zeit mit diesem Land. Während ich das Video gesehen habe habe ich euch richtig beneidet. Hätte ich die finanziellen Möglichkeiten, würde ich euch sofort ein Angebot machen!!
      Warum wollt ihr dieses herrliche Fleckchen Land verlassen?!

  11. Charly

    Ich selbst bin ja grade erst aus der Schule raus und kann nur sagen: Es gibt einfach so viele Moeglichkeiten, selbst wenn man keine Hilfe von anderen bekommt. Wenn man am Stadrand wohnt oder auf dem Land gibt es z.B. sehr haeufig verlassene Grundstuecke auf denen Obstbaeume wachsen, viele Leute kommen vielleicht auch gar nicht mit dem Obst essen hinterher und bieten es fuer kleines Geld am Strassenrand an. Dann gibt es ganz oft ganze Alleen mit Birnen und Apfelbaeumen. Nur 100 Meter von meinem Haus hat jemand einfach eine riesige Wiese mit Apfelbaeume bepflanzt, die einfach niemand isst (bis auf mich :D). Also einfach mal durch Wald und Wiesen gehen und stauenen was es nicht alles so (fast) umsonst gibt :)

  12. Silke Bishop

    Wir wohnen in der Naehe von Liverpool, also ueberhaupt nicht auf dem Land. Wir sind noch weit davon entfernt, Selbstversorger zu sein. Mit 3 kleinen Kindern, einem winzigen Garten und weiter keinen Verwandten in der Naehe ist es auch schwer, alles selbst anzubauen. Wie Du sagst, geht es gar nicht drum, gleich von Anfang an alles perfekt zu haben. Es ist auch ein sehr persoenlicher Weg dorthin und auch ein Lernprozess. Fuer uns stand im Vordergrund, moeglichst viel Zeit mit den Kindern verbringen zu koennen und daher haben wir gelernt, mit nur einem Gehalt auszukommen und mein Mann arbeitet seit ca einem halben Jahr auch nicht mehr voll. Uns hat ueberrascht, mit wieviel weniger Geld man wirklich auskommen und auch gut leben kann, wenn man erstmal anfaengt, die ganze Konsumgesellschaft kritisch zu betrachten. Bei uns fing es damit an, dass ich mehr fuer uns gekocht und immer Brote fuer meinen Mann zur Arbeit geschmiert habe und irgendwann ging das dann auf alle Lebensbereiche ueber. Kleidung und anderen Kram tauschen wir mit Freunden oder Secondhand oder abgelegtes. Es ist Wahnsinn, was Leute alles wegschmeissen, was man noch gebrauchen kann. Natron und Essig benutzen wir zum Reinigen und kaum noch Kosmetikartikel. Ich schneide unsere Haare und Brot backen wir selber. Die Kinder sind auch nicht teuer. Als Babies gestillt, Stoffwindeln oder windelfrei, im Beikostalter von unserem Essen mitgegessen und den Rest hauptsaechlich gebraucht. Wir leben zu fuenft in einem sehr kleinen Haus, ein groesseres schickeres wuerde bedeuten, dass wir beide voll arbeiten gehen muessten, aber fuer was, dann wuerden wir uns alle kaum noch sehen. Konsumgueter machen nicht gluecklich, wohl jedoch ein freies selbstbestimmtes Leben!

    1. Anja Drieling

      Sehr schön, Ihr habt einen Weg gefunden, eine in meinen Augen „richtige“ Familie sein zu können….Hoffen wir, das möglichst viele Eurem Vorbild folgen mögen, dann mache ich mir keine Sorgen um die Zukunft unserer Kinder!

    2. Thomas Edmund Mueller

      Hallo Silke,

      vielen Dank fuer Deinen wunderbaren Kommentar!
      Du schreibst mir aus der Seele, denn in aehnlicher Weise haben wir auch gelebt. Und es gibt nichts zu bereuen!
      Vielleicht darf ich Dir noch einen kleinen Rat mitgeben, den Du wohl schon viel gehoert hast, trotzdem noch einmal von mir:
      Freut Euch an Eurem jetzigen Leben, so wie Du es beschrieben hast. Vor allem bezgl. der Kinder. Denn wie schnell, wie schnell ist alles vorbei… Erst hinterher sieht man, dass alles nur wie ein Blitz am dunklen Himmel war – so hell – aber auch so schnell vorbei.

      Alles Glueck fuer Euch!

      Thomas

  13. Konzertheld

    Das ist doch mal eine sehr schöne, verständliche Erklärung wie und wieso euer Projekt finanziell funktioniert! Ich bin Student und entsprechend ständig pleite. Auch da merkt man dann irgendwann, dass es viele Menschen gibt, die einem gerne helfen, wenn man selbst auch dazu bereit ist. Die wichtigsten Gedanken sind wirklich sich davon zu befreien, alles haben zu müssen, und sich auch einfach finanziellen Zwängen nicht zu beugen (also nicht nach München zu ziehen, kein Auto zu fahren…). Damit kommt man schon sehr weit. :)

  14. Gáby.Schön

    leider.habe.ich.vor.10Jahren.meine.Chance.nicht.genutzt.weil.ich.keine.Arbeiter.hier.gefunden.habe.die.mit.mir.gehen.wollten.ins.Oberbergische.aber.ich.träume.immer.noch.davon.denn.wer.nicht.träumt.ist.tod.meinstens.ist.das.Problem.das.man.zuviel.nachdenkt.sich.selbst.ausbremmst.Zweifel.hat.und.die.Gesundheit.ist.nun.nicht.die.Beste.also.wird.es.ein.Traum.bleiben.bin.schon.52.ich.hätte.es.gerne.versucht.aber.ich.steh.in.der.Schufa.da.ich.Fehler.gemacht.habe.und.bereue.es.nicht.den.Versuch.gemacht.zu.haben!!!

    1. Heinze Annegret

      Hallo liebe Gabi
      Habe eben deinen Kommentar gelesen,auch ich möchte gerne
      einen Hof haben wo ich mich selbst versorgen kann.Ich bin 56 Jahre und ich gebe die Hoffnung nicht auf,es ist nur schwer Leute zu finden die mitmachen.Vielleicht meldest du dich ja mal Lieber Gruß

  15. Wolfgang

    Hallo Lisa und Michael,

    ich habe mir vor ziemlich genau einem Jahr einen älteren Streckhof mit ~2000m2 Grund im Mittelburgenland gekauft in dem ich jetzt wohne.

    Ein Jahr zuvor hätte ich mir auch nicht vorstellen können, jemals ein Haus zu besitzen und das schuldenfrei.
    De facto war der Kaufpreis meines – sofort bezugsfertigen – Hauses geringer als die Miete meiner Stadtwohnung in den letzten 10 Jahren gekostet hat. Ich bin alles andere als reich, aber meine Lebensersparnisse (ich bin Ende 40) haben gerade dafür gereicht und seitdem lebe ich glücklich und mit Fixkosten die nicht der Rede wert sind.
    Ich treibe die Selbstversorgung nicht so weit wie Ihr, zumindest noch nicht. Aber schon jetzt muss ich den Sommer über so gut wie keine Lebensmitteleinkäufe zu tätigen. Ich ernähre mich vegan und fast alles was ich brauche wächst im Garten.

    Die *wirkliche* Frage ist also nicht, „wie man sich das leisten kann“, sondern ob „man es sich leisten kann, dorthin zu ziehen WO man es sich leisten kann“.

    Zu „Stadtpreisen“ … und das muss gar keine Großstadt sein – käme ein Hauskauf für mich nicht in Frage.

    Und natürlich muss man auch grundsätzlich so leben wollen. Wobei „so“ in meinem Fall „fantastisch“ bedeutet, aber das ist halt Geschmackssache.

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