Aschenlauge – Die alte Kultur der Bauern

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Von Isabella Ostovary
11. Mai 2016

„Aschenlauge – Die Alte Kultur der Bauern“ von Roland Girtler beschreibt die Bergbauernkultur, zwischen 1920 und 1950. Das Besondere daran: der Autor lässt die Menschen selbst erzählen und über ihr Leben urteilen. Es ist als ob ich plötzlich 100 Opas und Omas hätte, anstatt jeweils zwei.

Welche Geschichten die Menschen damals berührt haben und warum sich in manchen Dingen nichts geändert hat, erfährst du, wenn du weiter liest.

Foto vom Cover des vorgestellten Buches Aschenlauge - Die alte Kultur der Bauern vor weißem Hintergrund

Die gute alte Zeit

Im Gegensatz zu meiner Oma, findet Girtler nicht, dass früher alles besser war:
„Gerade wenn ich mit älteren […] Bauern, Bäuerinnen, Knechten und Mägden sprach, wurde mir am Beginn unserer Gespräche nicht selten klarzumachen versucht, dass es früher „schöner“ gewesen wäre […]. Doch je mehr wir uns im Gespräch auf die frühere bäuerliche Kultur einließen, desto deutlicher wurde, welche Härten, Armut und vielmals auch Brutalität bestimmend waren.“

Anders und doch gleich

Das Buch hat meine Vorstellung von Geschichte und Gesellschaft auf den Kopf gestellt. Durch den Kontrast der Geschichten scheinen viele moderne „Phänomene“ eigentlich zeitlos, wie zum Beispiel die Patchwork-Familie. Was Patch-Work-Familie?! Ja, nach den Geschichten im Buch waren Patch-WorkFamilien früher, wie auch heute, der Normalzustand. Mägde und Knechte konnten oft nicht heiraten, da ihnen das Geld gefehlt hat. Kinder haben sie aber trotzdem gezeugt: Mägde mit Knechten, Knechte mit Bauerntöchtern, … Patch-Work pur! Die daraus entstehenden, verheerenden Folgen für Frauen – de facto Leibeigenschaft und Ächtung bis hin zum Selbstmord – werden dabei gut ausgeführt.
Auch die Vorstellung vom selben Beruf ein Leben lang, basiert höchstens auf den Gehirnwindungen mit denen sie gedacht wird. Hat man am Land kein Handwerk gelernt, gab es nur wenige andere Möglichkeiten: Knecht, Holzarbeiter oder als ArbeiterIn in die Stadt. Es gab so gut wie keine Dienstleistungsarbeiten. Daher hat man den Beruf auch nicht so oft gewechselt, wohl aber den Arbeitgeber, denn der konnte einen sofort entlassen und durfte sogar den persönlichen Besitz kontrollieren.

Unterdrückung einst wie heute

An den Geschichten sieht man gut, dass sich Unterdrückungsmechanismen durch soziale Hierarchien, Spezialisierung und vermeintlichen Effizienzzwang nicht geändert haben.
So beschreibt ein ehemaliger Sengsschmied wie er damals in seinem Beruf nur wenig gelernt hat, weil Ältere Angst hatten durch ihn ersetzt zu werden. Oder ein uneheliches Kind erzählt, wie sehr uneheliche Kinder stigmatisiert wurden, um sie bewusst besser auszubeuten.

Ledige Kinder müssen sein, denn sonst haben die Bauern keine Leute für die Arbeit mehr.

Und eine Magd, erklärt, die hierarchische Reihenfolge beim Essen bei der die Stärksten zu essen begonnen haben und die Schwächsten als erstes aufhören mussten.

Ich war damals die Jüngste, ich habe als Letzte angefangen zu essen. Wie ich beim Anfangen war, war die halbe Schüssel schon leer. Die Jüngsten haben auch als Erste mit dem Essen aufhören müssen.

Das interessante daran: letztlich bestimmt der Umgang miteinander die Art der Bewirtschaftung und somit die Qualität der Natur. Gewalt von vor 100 Jahren und länger kann man nämlich bis heute in der Landschaft sehen. Dazu mehr in einem anderen Artikel.

Tipps und Tricks

Ein weiterer spannender Aspekt sind die vielen Anleitungen, die über die Geschichten in das Buch einfließen. So beschreiben verschiedene Erzähler wie man Aschenlauge herstellt, oder wie Buttermilch und Rahm verarbeitet werden.

Eine neue Selbstversorgung

Girtler‘s Buch hat mich auch sehr nachdenklich gemacht. Er beschreibt nicht nur eine Welt der Selbstversorgung, sondern auch eine Welt ohne Gesundheitsversicherung und Versorgung im Alter, dafür aber mit viel schwerer Arbeit und Armut.

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Wenn ein Dienstbote alt geworden ist, ist er in die Einlag gekommen. […] Sie wanderten von Haus zu Haus, um irgendwo bleiben zu können. Der eine Bauer hat sie dann wieder für eine Woche behalten. Nachher sind sie zum nächsten Bauern.

Seit ich das Buch gelesen habe frage ich mich permanent wo ich mich in einer Welt der Selbstversorgung ohne Erdöl und ohne Bergbauindustrie sehe. Denn ob mit Selbstversorgung oder ohne, ein gutes Leben ist für mich mehr als von früh bis spät Arbeiten. Ich denke das ist möglich. Denn wir besitzen heute bessere Bodenbearbeitung, Anbaumethoden, Pflanzensorten, Energienutzung, Vernetzung und mehr Informationen. Ich will es möglich denken und möglich machen.  Hast du Ideen dazu?

Fazit zum Buch Aschenlauge – Die alte Kultur der Bauern

Die Erzählungen der Bauern, Bäuerinnen, Mägde und Knechte machen das Buch lebendig, die Vergangenheit wird greifbar. Durch die thematische Gruppierung der Geschichten und die Kommentare Girtlers geht das Buch über bloße Unterhaltung hinaus, es wird zur Gesellschaftskritik.

Zweite Seite des Inhaltsverzeichnisses des Buches Aschenlauge - Die alte Kultur der Bauern

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Aschenlauge – Die alte Kultur der Bauern

Dieser Artikel ist mehr als ein Jahr alt. Es muss daher nicht sein, dass wir jedes einzelne Wort immer noch so schreiben würden wie damals. Wenn Fragen sind, kommentiere einfach zum Artikel, dann antworten wir Dir gerne.

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