Wir verlieren den Boden unter den Füssen

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Von Michael Voit (geb. Hartl)
3. Dezember 2011

Dieser Artikel ist mein Beitrag für die Boden-Blog-Parade anlässlich des Welt-Boden-Tages am Montag den 5. Dezember, an der gerne noch alle Blogger*innen teilnehmen können.

In diesem Artikel möchte ich auf die Auswirkungen der Bodenbearbeitung in der industrialisierten Landwirtschaft eingehen. Diese kann sich in den nächsten zwei Jahrzehnten zu einer der größten Gefährdungen unser aller Zukunft entwickeln. Und ich denke, darüber sollten möglichst viele Menschen Bescheid wissen. Nur so ist es möglich, dass Menschen auch in diesem Themenfeld bewusste und verantwortungsvolle Entscheidungen treffen. Dazu versuche ich am Ende auch konkrete Schritte vorzuschlagen – auch für Gärtner*innen! :)

Unter die industrialisierte Landwirtschaft können sowohl konventionelle als auch biologische Anbauverfahren fallen. Die Hauptursache für die von mir im Folgenden beschriebenen Punkte ist die Verwendung von immer schwerer werdenden Maschinen auf immer größer werdenden Flächen und Methoden der Bodenbearbeitung, die sich aus wissenschaftlicher Sicht als ungeeignet zur langfristigen Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit herausgestellt haben. Diese Tendenzen sind leider auch im Bio-Anbau vorhanden.

Ich schreibe und sage von Zeit zu Zeit, dass die heute übliche Form der Bodenbearbeitung und die Nutzung von schweren Maschinen unsere Böden massiv gefährdet. Da gerade diese Feststellung aber immer wieder zu langen Diskussionen führt, möchte ich das Thema diesmal auf die drei größten Gefährdungen für die Bodenfruchtbarkeit durch die industrialisierte Landwirtschaft fokussieren:

  • Bodenverdichtungen
  • Verlust organischer Substanz
  • weniger Vielfalt

Ich versuche mich so kurz zu fassen, wie es ein Verstehen der Zusammenhänge aus meiner Sicht ermöglicht und versuche ebenso, möglichst einfache Worte und Beschreibungen zu finden. Dieser Text richtet sich also nicht an Wissenschaftler*innen, sondern an interessierte Menschen, die ein wenig mehr verstehen wollen, warum neben ein paar Radikalen wie mir auch die Wissenschaft teils massiv für eine andere Form der Landwirtschaft eintritt.

Bodenverdichtungen

Der Boden besteht aus verschiedensten Teilen. Da sind Sandkörnchen, Steine, Teile von abgestorbenen Pflanzen, tote und lebende Wurzeln und schier unendiche Mengen an Bodenorganismen. Zwischen diesen Bestandteilen des Bodens sind nun in einem gesunden Boden Lücken und Poren, so dass Luft in den Boden eindringen kann, was für viele Wurzeln und Bodenlebewesen wichtig ist. Außerdem dringt durch diese Lücken auch das Wasser in den Boden ein. Je mehr dieser „lückenhaften Struktur“ vorhanden ist, umso besser kann der Boden Wasser aufnehmen, speichern und auch in Trockenphasen Feuchtigkeit von tieferen Erdschichten nach oben transportieren.

Durch das Befahren der Felder mit immer schwerer werdenden Maschinen werden nun aber diese Bodenbestandteile zusammengedrückt. Jedes Jahr ein bisschen mehr. Das Ergebnis ist, dass weniger und weniger der oben beschriebenen Lücken und Poren vorhanden sind. Das nennt sich dann Bodenverdichtung. Deren ärgsten Folgen sind:

  • Wasser kann bei Regenfällen nicht mehr zügig aufgenommen werden und läuft oberflächlich ab. Dabei werden Teile der Erde mit abgeschwemmt – eine Form der Wassererosion
  • Der Boden kann von Pflanzen nicht mehr so gut durchwurzelt werden, da Wurzeln ebenfalls die oben beschriebenen Lücken im Boden nutzt – damit sinkt die Fruchtbarkeit des Bodens und gleichzeitig wird weniger organisches Material (siehe unten) in den Boden eingebracht
  • Der Wasser- und Lufthaushalt des Bodens wird verändert – andere Bodenlebewesen sind aktiv, der Humusaufbau läuft langsamer ab

Wir verlieren den Boden unter den Füssen 1

Ein häufig genanntes Argument von Vertreter*innen der industrialisierten Landwirtschaft ist, dass diese Verdichtungen ja durch den Pflug und sich anschließende Bodenbearbeitungen aufgelöst werden können. Die landwirtschaftlichen Geräte können aber Verdichtungen unter 0,5 Meter normalerweise nicht lockern. Diese tiefen Bodenverdichtungen gelten daher als irreversibel, das bedeutet, der Mensch kann diesen Schaden nicht wieder beheben. 1 Von Prof. Rainer Horn von der Universität Kiel wurden zum Beispiel bereits Bodenverdichtungen bis 1,7 m Tiefe durch schwere Erntemaschinen gemessen. 2

Der Pflug ist also kein Mittel gegen Bodenverdichtungen, denn die schwerwiegenderen Verdichtungen sind ja gerade die des Unterbodens. Außerdem hat er durch seine bodenwendende Funktionsweise noch weitere Nachteile, die in den beiden nächsten Abschnitten erwähnt werden.

Verlust organischer Substanz

Ein Bestandteil des Bodens ist „organische Substanz“. Unter diesen Begriff fallen zum Beispiel halb verrottete Pflanzenteile, abgestorbene Wurzeln oder Pflanzenteile, die nach der Ernte auf der Erdoberfläche zurück bleiben. Gesunder Boden hat davon rund zehn Prozent. Diese „organische Substanz“ wird ständig von den Bodenlebewesen umgesetzt in Humus. In einem natürlichen Umfeld kommt aber neue organische Substanz nach, so dass sich deren Anteil dort nicht groß verändert.

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Hauptsächlich zwei Punkte führen nun aber in der industrialisierten Landwirtschaft zu einer ständigen Abnahme dieser organischen Substanz – und damit in dessen Folge zu einer ständigen Abnahme des Humusgehalts. Denn wo keine organische Substanz in ausreichender Menge im Boden vorhanden ist, kann vom Bodenleben nicht so viel Humus aufgebaut und/oder erhalten werden, wie durch die Folgen der Maßnahmen zur Kultur der auf dem Boden wachsenden Pflanzen abgebaut wird.

Zum einen wird durch moderne Erntemaschinen alles nahezu restlos vom Feld entfernt. Früher blieb eine Menge Stroh oder andere Erntereste auf dem Acker zurück. Heute wird dies komplett vom Feld entfernt. Damit wird dem Boden nahezu keine neue organische Substanz zugeführt. 3

Zum anderen werden durch das Pflügen und andere mechanische Bodenbearbeitungen die Bodenorganismen im Oberboden in Stress versetzt. Diesen Stress gleichen Bodenorganismen nun durch einen höheren Umsatz aus. 3 Heißt, sie setzen mehr organische Substanz um.

Die Folge: 45 Prozent der europäischen Ackerflächen haben mittlerweile zu wenig Humus. 1 Ein zu niedriger Humusanteil im Boden hat eine ganze Reihe an Folgen:

  • die Bodenstruktur verschlechtert sich
  • die Bodenfruchtbarkeit wird eingeschränkt
  • der Bodenwiderstand gegen Wassererosion sinkt
  • der Bodenwiderstand gegen Winderosion sinkt
  • der Bodenwiderstand gegen Verdichtungen sinkt

Das oft erwähnte einpflügen oder untergraben von Stallmist, um die fehlende organische Substanz auszugleichen, ist nur eine Symptombekämpfung. Das Bodenleben ist überwiegend auf das Verarbeiten pflanzlichen Materials eingestellt. Denn das fällt in der Natur ganz überwiegend an. Das massive einbringen von Kot liefert zwar einige Nährstoffe, führt aber nicht zum Aufbau von Humus. In Versuchen wurde gezeigt, dass bereits nach zwei Jahren praktisch nichts mehr vom Stallmist oder aus ihm entstandenen Stoffen auffindbar ist. 4

Wir verlieren den Boden unter den Füssen 2

Weniger Vielfalt

Die beiden oben aufgezählten Punkte und ihre Folgen, also Erosion, Verdichtungen und Verlust der organischen Substanz, führen nun dazu, dass die Vielfalt der Bodenorganismen sinkt. Die Biodiversität geht zurück. Dazu sollte gesagt sein, dass der größte Teil der lebenden Organismen im Boden und nicht auf dem Boden lebt. Ein Hektar ernährt oberflächlich zwei bis drei Kühe mit gemeinsam vielleicht einer Tonne Gewicht. Nur in den ersten 30 Zentimeter unter der Erdoberfläche leben und ernähren sich auf einem Hektar 25 Tonnen lebende Organismen: Würmer, Bakterien, Strahlenpilze, Ameisen, Pilze, … 1

Doch diese Bodenorganismen brauchen genau die oben erwähnte organische Substanz, um sich zu ernähren. Und sie wären auch genau diejenigen, die Verdichtungen wieder auflösen könnten. Die dem Boden eine gesunde Struktur zurückgeben könnten. Die dem Boden seine langfristige Fruchtbarkeit wieder geben könnten. 3

Die industrialisierte Landwirtschaft stellt also einen Kreislauf nach unten dar. Richtung zerstörter Bodenfruchtbarkeit und minimierter Biodiversität. Unten angekommen werden wir zu wenig gesunde Böden haben, um ausreichend Lebensmittel herzustellen. Vor allem, wenn wir gleichzeitig immer mehr Bio-Treibstoffe und Bio-Gas wollen. (Ich weiß, da gibt es die Lösung Landgrabbing. Die gefällt mir aber nicht.)

Wie könnte aber nun ein Kreislauf nach oben aussehen? Zu mehr Bodenfruchtbarkeit und mehr Leben im Boden?

Gegenmittel

Wenn wir alles, was oben in seiner derzeitigen Form beschrieben haben, umkehren, kommen wir einem „Ideal“ der Bodenbearbeitung sehr nah. Wenn man an soetwas wie ein „Ideal“ glaubt. Wie man noch näher an ein „Ideal“ herankommt, hängt von einigen weiteren Faktoren wie Art des Bodens, Standort, usw. ab.

Die Landwirtschaft könnte auf eine pfluglose Bodenbewirtschaftung umsteigen und genügend organsiche Substanz am Feld belassen oder notfalls zuführen. Langjährige Versuche haben gezeigt, dass Methoden wie flache Bodenbearbeitung mit Mulchsaat oder eine Direktsaat ohne Bodenbearbeitung nur gering weniger Ertrag pro Hektar bringen. 5 Interessant wäre, wie dieser Ertrag pro eingesetzter Energiekalorie aussähe.

Gerade aber die Direktsaat ohne Bodenbearbeitung und Felder, die durchgehend mit einer Mulchschicht bedeckt sind, fördern massiv das Bodenleben und haben zum Beispiel eine vielfach höhere Anzahl an Regenwürmern und deutlich mehr Regenwurm-Arten. Der Pflug tötet speziell Regenwürmer in großer Menge. 5

Auf den gärtnerischen Alltag umgemüntzt – und das dürfte für die meisten von uns interessanter sein, heißt dass zum Beispiel:

  • keine Fräse (diese tötet noch deutlich mehr Regenwürmer als der Pflug!)
  • so selten wie möglich umgraben, idealerweise nie – besser: nur oberflächlich mit der Hacke arbeiten, bei sehr hartem Boden selten mit der Grabgabel Löcher zur Belüftung des Bodens stechen
  • mulchen
  • Erntereste zurück aufs Beet – am Besten exakt auf die gleiche Fläche, wo es gewachsen ist
  • Wege durch die Beete am Besten mit Klee bepflanzen – verhindert verdichten, bringt Stickstoff in den Boden und ergibt viel Grünmasse, die direkt gemulcht werden kann

Und alle (Ver)braucher*innen und Konsument*innen, die selbst nicht anbauen (können), bitte nun nicht sagen – naja, dann kann ich ja nichts ändern. Ihr könnt zum Beispiel eine FoodCoop gründen oder Euch einer anschließen. Einen CSA-Betrieb finden oder mit einem Landwirt eine CSA aufbauen. Und so weiter.

Nimm es in die Hand!

Quellen
1 Prof. Blum, Winfried, politische ökologie 119 „böden“, S. 36
2 Prof. Horn, Rainer / van der Akker, Jan / Arvidsson, Johan, Subsoil Compaction, Distribution, Processes and Consequenzes
3 E-Mail-Korrespondenz zwischen mir und Herrn Prof. Blum, Winfried, Institut für Bodenforschung, BOKU, Wien
4 Hennig, Erhard, Geheimnisse der fruchtbaren Böden, OLV
5 Langzeitstudie „Pflanzenbauliche und wirtschaftliche Auswirkungen verschiedener Verfahren der Bodenbearbeitung“ , Landesanstalt für Pflanzenbau Forchheim

Dieser Artikel ist mehr als ein Jahr alt. Es muss daher nicht sein, dass wir jedes einzelne Wort immer noch so schreiben würden wie damals. Wenn Fragen sind, kommentiere einfach zum Artikel, dann antworten wir Dir gerne.

3 Gedanken über “Wir verlieren den Boden unter den Füssen

  1. Tony

    Hallöle Selbstversorger

    Als wir im Jahre 2000 unser Haus gekauft haben sagten uns die Vorbesitzer, dass ohne massive Düngerzufuhr im Garten kaum etwas wachsen würde.

    Von irgendwelchen Chemiekalien im Garten war ich noch nie ein Freund, und so ist auch dann direkt im ersten Jahr nicht viel gewachsen. Viel ist eingegangen oder sah krank aus. Andere Sachen wuchsen nur winzig oder trugen keine Früchte.

    Danach hatte ich dann erst mal das Interesse verloren und verlor mit den Jahren auch die Zeit. Seit Anfang 2012 habe ich nun wieder die Zeit und widme mich meinem Garten.

    Es war ein Youtube Video wie dieses https://www.youtube.com/watch?v=7qBPMi6gXuc , Alarm auf dem Acker, was mich nachdenklich machte.
    Ich hatte schon als Kind bei den Eltern gesehen, dass man den Boden im Herbst umgräbt und der Frost dann die Erdklumpen durchfriert und zerbröseln lässt.

    Das sollte jetzt auf einmal falsch sein ? Aber das Stichwort Erosion klang für mich logisch.

    In einem anderen Video stieß ich dann auf Terra Preta zur verbesserung des Bodens. Ich stelle zwar nicht wirklich eine Terra Preta für meinen Garten her, aber es verlässt absolut nichts meinen Garten was dort gewachsen ist.
    Ausgenommen sind natürlich die Sachen die wir essen.

    Bei uns wird absolut alles auf dem Kompost gelagert was man dort lagern kann. Gegebenenfalls wird es vorher gehächselt. Das ergibt, aufgrund des großen Gartens voll Bäumen, Sträuchern und Rasen, wenn das Jahr rum ist ca. 5 m³. Ausserdem kommt die Asche aus dem Ofen direkt in den Garten.

    Der Kompost muss nicht Jahre lagern bis alles total verrottet ist. Nach einem Jahr kommt alles in den Garten zu meinen Kartoffeln, Zwiebeln, Bohnen, Erdbeeren und Salat. Die Tierchen im Boden müssen ja auch was zu tun haben. Chemischer Dünger oder Pflanzenschutzmittel gibt es nicht .

    Auch wird bei uns kaum UNKRAUT gehackt. Lediglich die Salatpflanzen werden ein wenig frei gehalten. Das hat den Vorteil das nach der Ernte alles recht bald wieder bewachsen ist und über den Herbst und den Winter den Boden fest hält.

    Ich baue jetzt also seit 2012 Kartoffeln auf der selben Fläche an, ohne Dünger, und trotzdem werden sie von Jahr zu Jahr größer obwohl es die selbe Sorte ist wie im Vorjahr.
    Ich finde im Boden von Jahr zu Jahr mehr Lebewesen vor und mein Boden kann Feuchtigkeit scheinbar besser halten als früher

    Irgendwas mache ich also richtig :-) bzw. besser als die vorherigen Hausbesitzer

    Ich freue mich auf jeden weiteren Eurer Posts
    Gruß
    Tony

  2. pro-edaphon

    Danke für den aufschlussreichen Artikel und die tollen Tipps. Die meisten wende ich schon an, nur die Mulchsaat will ich im nächsten Jahr mal ausprobieren.
    Die furchtbare Abwärtsspirale, die du beschreibst, kann durch dieses Plaggen aufwerfen (diese Haufen auf dem Foto) und die damit angestrebte "Frostgare", auch nicht aufgehalten werden. Die Bodenlebewesen erschaffen einfach die beste "Bodengare" / Krümelstruktur, mit ihren vielen positiven Eigenschaften, die du ja alle aufgezählt hast.

    1. isolde Schnorbach

      Das ist alles genau so, wie es mein Bodekundeprofessor bereits vor 25 Jahren gelehrt hat. Er war seiner Zeit voraus und hat die Gefährdung des Bodens durch die industrielle Landwirtschaft aufgezeigt und sich für die ökologische Landwirtschaft schon damals eingesetzt.

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