Selbstversorgung am Biohof

Ein Bericht zweier junger Menschen über Selbstversorgung, soziale Teilhabe und die Idee, sich selbst zu heilen.

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Von Monika Thauerböck
8. Februar 2015

Die Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr spezialisiert. So haben sich viele Betriebe auf einen Betriebszweig konzentriert. Wir, Mario und Monika, sind in der glücklichen Lage, selbst einen Biohof im Mühlviertel zu bewirtschaften. Dabei haben wir uns bewusst dazu entschieden, den umgekehrten Weg zu gehen. Unser Ziel ist es, wieder ein breite Vielfalt auf unserem Biohof zu schaffen und uns überwiegend selbst zu versorgen.

Den Betrieb haben wir vor ca. 2 Jahren von Marios Eltern übernommen. Sie haben vor vielen Jahren mit der Produktion von Bio Edelbränden und Likören begonnen. Roggen, Früchte, Beeren, Zapfen und Wipfel, alles was bei uns wächst, wird hierbei veredelt. Unser Ziel ist es, neben der Herstellung dieser Produkte eine breite Vielfalt bei uns am Biohof zu schaffen. Unser Motto ist „Sich selbst versorgen und andere teilhaben lassen“. Im vergangenen Jahr haben wir unter anderem einen Bio Gemeinschaftsgarten auf unserem Biohof ins Leben gerufen.

Foto von Monika um Mario am Biohof

Bio Naturmittel

Du gehst zum Arzt, landest dann in der Apotheke und kommst mit fünf Packungen Tabletten nachhause und weißt eigentlich gar nicht, was du deinem Körper da gibst. Genau das wollen wir nicht. Deshalb beschäftigen wir uns wieder mit den Heilkräften der Natur. Es gibt ja bekanntlich das Sprichwort „Für alles ist ein Kraut gewachsen“. Und genau davon sind wir überzeugt.

Im vergangenen Sommer haben wir uns das Buch „Die Kräuter in meinem Garten“ als Leselektüre und Nachschlagwerk zugelegt. In diesem Buch sind 500 Heilpflanzen sehr genau beschrieben. Darin ist praktisch jede Pflanze zu finden, die bei uns wächst, und auch die Wirkungen und Anwendungen sind sehr gut beschrieben. Im Sommer haben wir begonnen, uns unsere eigene „Apotheke“ zuzulegen. Die verschiedensten Kräuter, Blätter und Blüten, die auf unseren Wiesen, Äcker und am Waldrand wachsen, sind ein Teil davon geworden.

Tee, nicht nur für die kalte Jahreszeit

Alle Kräuter werden bei uns handgepflückt und wenn nötig mit einer Keramikschere abgeschnitten. Die meisten Blätter und Blüten werden von den “wild-wachsenden” Pflanzen geerntet, denn die Inhaltsstoffe sind am intensivsten und wirksamsten, wenn die Pflanze an ihrem natürlichen Standort, wo sie sich selbst angesiedelt hat, wächst. Erst wenn man sich mit der Thematik näher beschäftigt, entdeckt man, was vor der eigenen Tür eigentlich so alles wächst. Da bieten unsere Wiesen und Äcker schon eine breite Vielfalt. Und irgendwie macht es uns auch richtig Spaß, wenn wir die verschiedenen Pflanzensorten wie Frauenmantelblätter oder Spitzwegerichblätter ein wenig suchen und nicht alles auf einem Fleck wächst. Da entdeckt man beim Sammeln immer wieder etwas Neues :)

Die Kräuter haben wir dann getrocknet und in Glasbehälter aufbewahrt. Die Bio Tees sind nicht nur ein Genuss in der kalten Jahreszeit, sondern sie sind auch alt bewährte Hausmittel, die bei diversen Leiden Anwendung finden. Das Wissen über die Wirkung der Pflanzen wollen wir uns wieder aneignen. Früher wussten die Leute sehr genau über die Wirkungen der Natur Bescheid. – Lindenblütentee gegen Husten und Schnupfen, Arnika gegen Schmerzen und Verletzungen, Birkensaft als Frühjahrskur. Vieles geriet leider beinahe zu in Vergessenheit, gewinnt jetzt aber wieder an Bedeutung.

Monika bei der Ernte der Lindenblüten

Wirkstoffe der Pflanzen haltbar machen

Da wir selbst Bio Kornedelbrand herstellen und dieser die Grundlage für viele Tinkturen ist, haben wir bereits einige Tinkturen hergestellt. Die Tinkturen-Herstellung ist je nach Pflanze ein bisschen unterschiedlich. Es werden die Blätter, Blüten, Früchte oder Wurzeln verwendet. Diese werden dann geschnitten / gemahlen / zerkleinert und in ein Glas gegeben. Dann füllt man sie mit Kornschnaps auf und lässt sie ein paar Wochen stehen. Anschließen werden sie abgesiehen und fertig ist die Tinktur. So finden sich dann die Wirkstoffe der Pflanzen in der Tinktur wieder. Für uns sind die Tinkturen genauso wie der Tee Teil unserer „Apotheke“. Sie werden tropfenweise oder teelöffelweise eingenommen, zum Einreiben verwendet oder bei Verletzungen aufgetragen.

Herstellung einer Zitronenverbenentinktur

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Wir teilen

Es macht uns einfach Spaß, uns mit den Pflanzen und deren Wirkung zu beschäftigen, sie zu pflücken und dabei die Energie der Natur zu spüren. Deshalb haben wir auch um einiges mehr gepflückt, als wir selbst brauchen. Diese bieten wir bei uns Abhof sowie in unserem Online Shop an. Denn uns ist es ein Anliegen, dass auch andere Personen, die keine Möglichkeit haben ihre Naturmittel zu ernten, Zugang zu solchen Naturprodukten haben. Jede/r, der/die die Möglichkeit hat seine Pflanzen selbst zu ernten, sollte das natürlich auch tun.

Bio Gemeinschaftsgarten

Eine weitere Entwicklung bei uns am Biohof war der Start von unserem Bio Gemeinschaftsgarten. Im ersten Jahr nach der Hofübernahme wollten wir die Fläche von unserem eigenen Garten vergrößern, um mehr Gemüse und Kräuter für unsere Eigenversorgung anpflanzen zu können. Dabei sind wir auf die Idee gekommen, dass wir an unserer Gartenfläche auch andere teilhaben lassen können, die selbst keine Fläche haben. So kam es zur Initiierung des Gemeinschaftsgartens.

Personen aus der Umgebung können somit bei uns ihr eigenes Gemüse anpflanzen, pflegen und natürlich ernten. Das Bio Saatgut und die Bio Pflanzen wurden von uns organisiert, den Rest übernehmen die Gartler/innen selbst. Die Fläche steht ihnen über den ganzen Sommer zur Verfügung und im Herbst wurde dann reichlich geerntet :) Es hat uns besonders gefreut, dass in unserer ländlichen Region bereits im ersten Jahr einige interessierte Gartler/innen unser Angebot angenommen haben und ein Teil des Sozialprojektes geworden sind.

Gartlerinnen bei der Gemüseernte im Bio Gemeinschaftsgarten

Mit unseren Projekten und unserem Handeln wollen wir einen Schritt in Richtung Unabhängigkeit von den großen Playern gehen. Denn wir sind davon überzeugt, dass es an der Zeit ist, dass wir wieder selbst für unser Leben und unsere Ernährung verantwortlich sind.

Wie sieht das bei euch aus? Vertraut ihr auch auf die Naturmittel die bei uns wachsen? Wo seht ihr die Hürden und Herausforderungen? Wir freuen uns, wenn ihr eure Erfahrungen und Tipps mit uns teilt.

Dieser Artikel ist mehr als ein Jahr alt. Es muss daher nicht sein, dass wir jedes einzelne Wort immer noch so schreiben würden wie damals. Wenn Fragen sind, kommentiere einfach zum Artikel, dann antworten wir Dir gerne.

12 Gedanken über “Selbstversorgung am Biohof

  1. Sarah

    Noch ein Literaturtip – bzgl Bestimmung.
    Als sehr guten Einstieg in wissenschaftliche Bestimmungsschlüssel (ala Schmeil-Fitschen, Rothmaler, Oberdorfer) lege ich jedem den „Grundkurs Pflanzenbestimmung“ von Rita Lüder (Quelle und Meyer Verlag) wärmstens ans Herz. Quasi ein zwar auf die häufigeren Arten abgespeckter, dafür aber bebilderter Schmeil-Fitschen (äquivalent aufgebaute und ebenso brauchbare Bestimmungsbücher von Rita Lüder gibts übrigens auch für Moose und Pilze).
    Verlässliche Infos zu den ökologischen Charakteristika der einzelnen Arten gibts übrigens auf http://www.floraweb.de

  2. Lebenslilie

    Hallo Monika,

    was für eine wunderbare Arbeit, die Ihr da weiterführt und aufbaut! Und dass Ihr über Eure Erfahrungen berichtet und sie im Internet teilt – trotz der sicherlich vielen Aufgaben, die Ihr zu bewältigen habt – ist ein echtes Geschenk.

    Euren Garten mit anderen zu teilen, macht bestimmt viel Spaß und es ist eine tolle Sache, das, was man hat, wie Landstücke und Saatgut, anderen zugänglich zu machen. Wie schön, dass Ihr nicht auf Eurem „Überfluss“ sitzen wollt sondern ihn, und damit auch Euer Leben, mit den Nachbarn teilt.

    Und dass Ihr „altes Wissen“ über Kräuter bewahrt und anwendet, ist wirklich ein Segen, damit es nicht verloren geht. In Büchern verstaubt es schnell, bei Euch kann man die Ergebnisse sogar kaufen.

    Ich freue mich immer sehr, von solchen Lebensweisen wie Euren zu hören und zu lesen. Es inspiriert mich, dass es immer mehr Menschen gibt, die ihren eigenen Weg gehen, unabhängiger werden und sich ein gutes Leben aufbauen. In meinem kleinen bescheidenen Rahmen versuche ich auch immer mehr, die Anwendung von frisch gesammelten und selbst getrockneten Kräutern zu erlernen und in meinen Alltag einzubauen. Es ist schön, eigene Tee- und Pralinenmischungen zuzubereiten und auch Freunde dafür zu begeistern und zu beschenken.

    Ich wünsche Euch ganz viel Erfolg und Freude bei Eurem Leben auf dem Biohof und werde gleich mal Eure Seite bei meinen Lieben bekannt machen.
    Viele Grüße und ein schönes Wochenende
    Eure
    Lebenslilie

  3. Andi

    Also ich bin schon mit Wildkräutern aufgewachsen, welche meine Mutter oft verwendet hat. Löwenzahn und Vogelmiere ergibt einen leckeren Salat, Brennesseln sind als Spinatersatz sehr lecker z.B. als Suppe, genauso wie auch Giersch… Spitzwegerich und Fichtenwipfeln lassen sich auch sehr gut in Honig ansetzen für einen wunderbaren Sirup gegen Erkältungskrankheiten. Dann gibt es ja auch noch all die essbaren Blüten, mit welchen sich diverse Speisen dekorieren lassen oder leckere Tees zaubern.Mir ist es am liebsten gleich von vornherein viele verschiedene Wildkräuter und Gartenkräuter in die Ernährung einzubauen, als erst bei Krankheit das eine oder andere zu verwenden. Denn die merkbaren Symptome vieler Krankheiten merkt man erst ziemlich spät.
    Ich bin nun auch dabei 2 ha in eine wunderschöne Permakulturlandschaft zu verwandeln – ein Fruchtgartenparadies – natürlich auch mit einer Riesengroßen Vielfalt an Heilkräutern, Wildblumen…, mit welchen ich dann mein Saatgutangebot erweitern kann. http://www.sortenraritaeten.at/

  4. Frau B.

    Noch ein Literaturtip zu dem Thema vergessenes Heilpflanzenwissen. Eunike Grahofer beschäftigt sich damit intensiv. Sie hat zwei Bücher herausgegeben, in denen sie alte Menschen aus dem Waldviertel interviewt. Wunderbar zu lesen und so viel Wissen steckt darin. Das erste heißt „Die Oma Leissinger“, das zweite „Der Pepi Onkel“, beide im Freya Verlag erschienen.

    1. I.Hinz

      Hallo Pia,
      ich habe wie Mario und Monika das wunderbare große Kräuterbuch auch und am Anfang einfach erforscht, was denn in meinem Garten wächst und wozu das gut ist. Einmal mit dem Thema angefangen, trifft man auf immer neue Anregungen.

  5. Avatar-FotoPia Damm

    Monika, danke dir sehr für das Teilen eurer Erfahrungen und Ideen.
    Mit WIldkräutern mag ich mich unbedingt auch mehr beschäftigen – das ist ein so spannendes Feld und einfach SO viel kann mensch mit ihnen herstellen, heilen, … .
    Ich habe das Buch „Essbare Wildpflanzen“. Ich mag es super gerne, aber dennoch weiß ich irgendwie nicht wo und wie ich anfangen kann mit lernen, bestimmen etc. Hast du da vielleicht einen guten Tip? Wie hast du angefangen, dich mit Wildkräutern zu beschäftigen?

    Freue mich auf deine Antwort :)

    1. Avatar-FotoMonika Thauerböck Beitrags Autor

      Liebe Pia,
      ich habe als ich ca. 16 Jahre alt war in der Schule ein Herbarium gemacht. Das war eine tolle Erfahrung, weil ich immer mit offenen Augen über die Wiesen und durch die Wälder gelaufen bin, in der Hoffnung wieder eine neue Pflanze für meine Sammlung zu finden. Ich hab mir das Buch „Der große BLV Pflanzenführer“ zugelegt, da sind die verschiedenen Pflanzen mit ihren Merkmalen sehr gut beschrieben.
      Ich finde das wichtigste ist einfach die Neugier, dass du wissen willst welche Pflanze das ist usw. Denn es ist ja auch immer Vorsicht geboten, immerhin gibt es auch „giftige“ Pflanzen.
      Ich finde ja, das Schöne am Pflanzen bestimmen ist, dass man hier die Vielfalt der Natur erst richtig entdeckt, wenn man sich die einzelnen Blüten und Blätter richtig genau ansieht. :)

      1. Nadine Wahl

        Hallo Monika, das mit dem Herbarium ist ne tolle Idee! Ich habe mir einige Zeit lang versucht, das Pflanzenwissen anzulesen… mit mäßigem Erfolg. Erst als ich mir immer wieder real Pflanzen zeigen lassen hab, Infos dann dazu anschaute und sie verwendete, blieb wirklich was hängen. Euch und eurem Hof alles Liebe, Nadine

      2. Avatar-FotoPia Damm

        Prima :) Letzten Sommer habe ich schon einmal mit einem Herbarium angefangen und das hat mich auch sehr motiviert! Es ist auf jeden Fall, wie auch Nadine schon geschriben hat, etwas ganz anderes, als wenn die Infos einfach nur gelesen werden – auf die Art des Herbariums werden sie „erlebt“.

        Wie genau habt ihr denn mit dem Herbarium angefangen? Ich habe da zwar so eine wage Ahnung, wäre aber dankbar für Tipps und Erfahrungen. Wenn euch das allerdings zu viel ist, sagt bescheid, das ist auch kein Problemchen ;)

        Danke euch!

        1. Avatar-FotoMonika Thauerböck Beitrags Autor

          Liebe Pia,
          ich hab mir am Anfang einen Überblick verschaffen über die verschiedenen Pflanzenfamilien und welche Pflanzen da so dazu gehören. Und dann am besten einfach mal drauf los sammeln. Wenn du gleich im Frühling beginnst geht das super, weil zuerst die Frühlingsboten kommen und dann immer mehr zu entdecken ist. Dann brauchst du nur noch eine Pflanzenpresse und Zeitungspapier zum dazwischen legen. Ganz viele Bücher übereinander legen könnte auch funktionieren. – Vor allem bei sehr „feinen“ Pflanzen wie z.B. Gänseblümchen. Bei „kräftigeren“ Pflanzen wie Schafgarbe kann es schon ein Vorteil sein, wenn du eine Presse hast.
          Dann am Anfang öfter und dann alle paar Tage wenden und wieder trockenes Zeitungspapier dazwischen legen. Wenn die Pflanze platt und trocken ist, dann kannst du sie auf ein Blatt Papier kleben und mit Name, Pflanzenfamilie, Fundort, Datum usw. beschriften.

          Am besten einfach raus in die Natur. Irgendwie entwickelt sich das dann auch beim Sammeln so, dass du dir plötzlich denkst, das könnte ja diese oder diese Pflanze sein.

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