Der Danni ist der neue Hambi. Vom Hambi – hier auf NANU von mir ein Interview mit der Aktivistin Indigo – haben spätestens nach der spektakulären Räumung im August und September 2018 viele gehört. Doch der Danni ist noch nicht ganz so populär – sollte es aber dringend werden. Auch, wenn es im Dannenröder Wald nicht um den Braunkohletagebau und die Frage nach einer radikalen Energiewende geht, so geht es doch um ein weiteres mehr als relevantes Thema im Bereich der Klimagerechtigkeit: Verkehrswende. Im Oktober sollen die Rodungen für den Bau der A49 beginnen. Die Waldbesetzer*innen und weiteren Gegner*innen dieses Projekts bereiten sich auf Widerstand vor.
In ihrer letzten Pressekonferenz treten sie nun gemeinsam als Aktionsbündnis Autokorrektur auf. Mit dabei sind Fridays For Future, Aktion Schlagloch, Waldbesetzer*innen, Sand im Getriebe, Ende Gelände, und die lokale Bürgerinitiative „Keine A49“. Mit ihren Körpern wollen sie sich der Räumung entgegensetzen. Ich durfte mit der Aktivistin Kim Lauterbach von der Waldbesetzung darüber sprechen, worum es beim Danni geht, warum sie dort für eine bessere Welt kämpft und wie wir alle dazu beitragen können.
Ihre letzten Worte während der Pressekonferenz im Dannenröder Wald haben mich inspiriert mit ihr ein bisschen näher zu sprechen:
„Wir rufen jeden einzelnen Menschen auf, Teil dieser Bewegung zu werden. Und gemeinsam kämpfen wir für den Danni. Für Gerechtigkeit. Und einen Planeten auf dem das Gute Leben für Alle möglich ist“.
Aktivistin Kim Lauterbach
Tobi Rosswog: Stell dich bitte kurz vor?
Kim Lauterbach: Ich bin eine Aktivistin im Dannenröder Wald. Vorher war ich in anderen Kontexten unterwegs, teilweise aktivistisch, teilweise künstlerisch, teilweise im sozialen Bereich. Meine Neugierde und Unternehmungslust haben mich an unterschiedliche Orte zu verschiedenen Menschen geführt. So habe ich mit Wohnungslosen in Brüssel gelebt, in Frankreich mit Kindern mit Lernschwächen gearbeitet oder Theater mit geflüchteten Menschen in Berlin gemacht. Egal wohin mich mein Weg geführt hat, ich durfte immer auf Menschen treffen, die mich inspiriert haben und von denen ich einen Teil in mir weitertrage.
Mehr Autobahnen, mehr Kapitalismus und mehr Individualismus – alles Teil der Lösung?
Tobi Rosswog: Worum geht es beim Danni?
Kim Lauterbach: Das bisher vergessene und stiefmütterlich behandelte Thema der Verkehrswende nimmt in Dannenrod Fahrt auf. Dannen-was? Hinter dem Namen verbirgt sich ein idyllisches Dorf in Hessen, dessen gleichnamiger Wald seit Ende September 2019 besetzt ist. Inmitten der ruhigen Atmosphäre wird seit 40 Jahren von der lokalen Bürgerinitiative ein unermüdlicher Kampf ausgeführt: Denn der Dannenröder Wald soll für den Bau einer Autobahn, der A49, zerstört werden.
Hinter diesem einfachen Sachverhalt verbirgt sich für mich aber noch viel, viel mehr: Es geht um die Frage, ob wir immer noch an veralteten Konzepten, wie Autobahnen, Kapitalismus, Individualismus festhalten wollen, obwohl die Klimakrise schon längst grausame Realität ist. Für mich ist die Antwort klar: Alles was zerstörerisch ist, muss abgeschafft werden. Konzepte, wie es besser laufen kann, gibt es zuhauf. Was wir brauchen, ist der Mut die Revolution, die wir benötigen, anzugehen.
Tobi Rosswog: Warum bist du vor Ort dabei?
Kim Lauterbach: Ganz einfach: Solange ein Mensch auf dem Baum ist, kann dieser nicht gefällt werden. Im Danni zu leben ist für mich ein Privileg, von dem ich dankbar bin es erleben zu dürfen. Der lebendige Wald überrascht und berührt mich jeden Tag aufs neue, genauso wie die Menschen, die hier leben. Es ist natürlich auch eine Herausforderung, aber der Stelle ich mich gerne, weil ich durch mein Handeln hier einen Sinn schaffe. Die Klimakrise, Kapitalismus, das Patriarchat, Rassismus, Diktaturen, Naturkatastrophen… Wenn ich mir die Missstände dieser Welt anschaue, dann fühle ich mich schnell ohnmächtig und überfordert. Im Danni zu leben, hier neue Formen des Zusammenlebens zu erproben und den Wald mit meinem Körper, meiner Stimme und meinem Herz zu schützen ist ein konkreter politischer Akt. Für mich ist der Aktivismus hier in dem Sinne auch eine Reduktion der Komplexität und ein erster Schritt, die Probleme anzugehen.
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Tobi Rosswog: Wie soll denn ein gutes Leben für Alle“ aussehen?
Kim Lauterbach: Die Frage nach dem guten Leben für Alle geht natürlich sehr Richtung Utopie. Aber genau deswegen finde ich sie so wichtig zu stellen, und dass wir alle uns das fragen. Momentan ist es so, dass wir uns gegenseitig systematisch unterdrücken, manche Menschen profitieren immens von dieser Unterdrückung und machen es sich auf ihren Privilegien bequem, während Andere mehr darunter leiden müssen.
Wenn ich persönlich von einem guten Leben für Alle rede meine ich damit eine Gesellschaft, die aufeinander achtet und in der niemensch Angst haben braucht, von anderen abhängig zu sein. Es ist wichtig, dass Bedürfnisse anerkannt werden und gestillt, aber in einer Form die nachhaltig für alle ist. Im Gegensatz zur momentanen Gesellschaft stelle ich mir vor, dass Probleme an der Wurzel angegangen werden und nicht bloß verschoben (zeitlich oder räumlich) werden.
Die Frage nach dem guten Leben für Alle geht natürlich sehr Richtung Utopie. Aber genau deswegen finde ich sie so wichtig zu stellen, und dass wir alle uns das fragen.
Kim Lauterbach
Da ist die Autobahn ein gutes Beispiel. Für die Bewohner*innen der Dörfer entlang der Bundesstraße ist es ein starkes Bedürfnis von Lärm, Gestank und Dreck entlastet zu werden. Nun kann die Gesellschaft einen Ansatz entwickeln, die das Problem verschiebt und auf Kosten der Natur geht, also eine Autobahn durch den Wald bauen. Oder wir entwickeln eine echte Lösung, indem wir uns der Wurzel des Problems widmen. Wieso gibt es überhaupt so viel Lärm und Gestank? Wegen des Verkehrs. Und warum gibt es den Verkehr?
Tobi Rosswog: Was sind denn die aktuellen Argumente für die Autobahn?
Kim Lauterbach: Zu einem die Wünsche der Anwohner*innen der Bundesstraßen, von dem Verkehr (insbesondere LKWs) entlastet zu werden und sich teilweise schneller fortbewegen zu können. Die Erfahrung aus ähnlichen Projekten hat aber gezeigt, dass es durch den Bau einer Autobahn nicht zu diesen erwünschten Ergebnissen kommen wird. Außerdem gibt es die klassischen Argumente, wie Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Die anliegenden Industrien (Ferrero, Fritz Winter) haben ein Interesse daran, weiter auf LKWs zu setzen, anstatt ihre bereits bestehenden Anschlüsse an die Schiene zu nutzen.
Tobi Rosswog: Wie können Menschen, die euch unterstützen wollen, Kontakt mit euch aufnehmen?
Kim Lauterbach: Dies geht über:
- Unsere E-Mail: keine-a49@riseup.net
- Instagram: @keine_a49
- Twitter: @keinea49
Auf unserer Webseite dannenroederwald.org gibt es auch immer aktuelle Infos. Dort gibt es einen SMS-Verteiler, wo wir in der Räumung informieren und aufrufen werden, in den Wald zu kommen.
Tobi Rosswog: Was kann jede*r aktuell tun?
Kim Lauterbach: Der Wald ist aktuell rodungsbedroht und damit steht für die Besetzung die Räumung an. Es gibt viel zu tun! Wir gehen davon aus, dass wir Ende September geräumt werden. Bis dahin kann jeder Mensch überall über den Danni reden, informieren und Vorträge halten. Infomaterial, Poster, Flyer… all das kann die Besetzung zur Verfügung stellen und dir zuschicken. Außerdem brauchen wir Materialien. Die können in den Städten gesammelt werden und dann zu uns gebracht werden – oder wir organisieren einen Transport.
Tobi Rosswog: Was für Materialien braucht ihr genau, die mensch in Städten sammeln kann?
Kim Lauterbach: Wir benötigen momentan besonders Materialien für die anstehende Räumung:
- Hängematten
- Klettermaterial
- Funkgeräte!
- Matratzen
- Bretter, Paletten o.ä. zum Bauen
- Nägel, Hammer, Schrauben, Akkubohrer etc.
- Wasserkanister!
Und das Wichtigste zum Schluss
Komm in den Danni! Gerne ab jetzt und spätestens zur Räumung! Es wird vom 18.September bis zum 4.Oktober ein Skillhsare geben, also auch Menschen die sich unerfahren fühlen können jederzeit herkommen. Werde Teil unseres Kampfes für den Danni, Gerechtigkeit und das Gute Leben für Alle. Gemeinsam packen wir’s an.
Tobi Rosswog: Danke Dir herzlichst, Kim. Dann also auf in den Wald. Bist Du dabei?
Dieser Wahnsinn muss aufhören, immer mehr, schneller und noch mehr Spuren auf den Autobahnen – damit diese verrückten SUVs etc. FahrerInnen mit 200 und mehr rasen können. Es muss aufhören solche Autos zu genehmigen, wir brauchen eine ganze andere Mobilität und eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf unseren Straßen. Weniger ist mehr!!!
Schauen wir uns die Bäume/die Wälder an – am verdursten, vertrocknen und die fallen um … es fehlt an Wasser und mehr.
Wir graben uns unser eigenes Grab – hört endlich auf die Mutter Erde zu zerstören, so geht man nicht mit seiner Mutter um.
Geld kann man nicht essen. Dagmar Wolf Rammensee
„ob wir immer noch an veralteten Konzepten, wie Autobahnen, Kapitalismus, Individualismus festhalten wollen“
In einer Welt ohne Autobahnen würde ich vielleicht, in einer Welt ohne Individualismus aber ganz sicher nicht leben wollen! Vor einem computergesteuerten Ökosozialismus (so mit Öko-Social-Score-System) würde es mich eher gruseln, da bin ich zu anarchisch…
Huhuu Yadgar,
was bedeutet für Dich denn Individualismus und was bedeutet Anarchismus?
Und wie kommst Du auf „computergesteuerten Ökosozialismus (so mit Öko-Social-Score-System)“?
Alles Liebe Dir,
tobi