John Seymour – Pionier eines genügsamen Lebens

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Von Michael Voit (geb. Hartl)
14. September 2017

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte John Seymour auf seinem alten Hof in Pembrokeshire, im Südwesten Englands. Er lebte dort mit der Familie seiner Tochter. Als er dort am 14. September 2004 starb, wurde er vor Ort in einem Obstgarten begraben, den er selbst gepflanzt hatte. Damit war er nah an der Natur, für die er sich immer wieder stark eingesetzt hat.

So wie er viel gepflanzt hat in seinem Leben: Obst und Gemüse zur Selbstversorgung, Ideen in Köpfe von Menschen und zum Teil auch eine Bewegung hin zu einem genügsamen Leben.

Mehr als Autor und Selbstversorger

Bild mit John Seymour und einem Zitat neben ihm: Selbstversorgung ist ein Gegenmittel gegen die Kultur der Abhängigkeit, die Menschen der Würde und Selbstachtung beraubt.

John Seymour ist vor allem für zwei Dinge bekannt: Selbstversorgung und Bücher. 41 sollen es im Laufe seines Lebens werden. Manche davon absolute Verkaufsschlager. Gedichte, Erzählungen, aber vor allem auch Bücher, die ein Leben auf dem Lande oder eine Selbstversorgung aus dem Garten erklären – und vor allem darauf Lust machen sollen.

Für mich ist er aber viel mehr: Er ist ein Vorbild für gelebte Ideale. Für einen genügsamen Lebensstil. Dafür, wie jeder Mensch durch alltägliches Vorleben zu einem Beispiel für die eigene Vision der Welt werden kann. Und diese Welt, von der Seymour geträumt hat, die er mit seiner Familie gelebt hat und von der er in seinen Büchern erzählt, ist eine erstrebenswerte.

Die große Welt und die Zivilisationsmüdigkeit

Doch bevor es zu alledem kommt, beginnt sein Leben am 12. Juni 1914 in Hampstead. Seine Familie zieht bald aufs Land, so dass er schon früh vom bäuerlichen Leben geprägt wird. Obwohl seine Familie selbst nicht in der Landwirtschaft tätig ist, faszinieren ihn die Menschen, die sich von ihrem Stück Land selbstversorgen und mit ihrer Tätigkeit direkt zu ihrem Leben beitragen. Er studiert Landwirtschaft und zieht dann im Alter von 20 Jahren nach Südafrika.

Hier leitet er einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Schafen, arbeitet in einer Kupfermine und heuert später beim öffentlichen Tierarzt-Dienst an. Was ihn aber besonders geprägt haben dürfte ist die viele Zeit, die er mit Menschen verbracht hat, die noch sehr verwurzelt in der Wildnis gelebt haben.  An diesen Jäger*innen und Sammler*innen faszinierte ihm am meisten, dass diese ausschließlich so viel von der Natur nehmen, wie sie für ihr Überleben brauchen. Für ihn kam hier die Erkenntnis, dass ein großer Teil unseres Wissens und unserer Kultur ein altes Erbe ist – und nicht ein Produkt städtischer Entwicklung.

Mit dem Beginn des zweiten Weltkrieges 1939 verpflichtete er sich und kämpfte in Äthiopien, Sri Lanka und Burma. Nach dem Krieg arbeitete er für die BBC und produzierte mehrere kleine Radiosendungen. Als er dann für einen größeren BBC-Auftrag 1950/51 auf dem Landweg von England nach Indien reiste, lernte er verschiedenste Kulturen kennen. In Osteuropa und Asien war es damals noch absolut üblich, Subsistenzlandwirtschaft zu betreiben. Sich also in erster Linie vom Hof selbst zu versorgen.

John Seymour der Selbstversorger

Erste Ende der 50er Jahre, Seymour ging auf die 40 zu, entstand in ihm und seiner Frau Sally Medworth der Wunsch, sesshaft zu werden. Also begannen sie auf einem Hof mit zwei Hektar Land in Suffolk ihr Leben auf dem Lande. Und damit auch die Selbstversorgung, über die er auch kurz darauf begann, sein erstes Buch zum Thema zu schreiben.

Er zog noch einige Male in seinem Leben um. Fing an anderen Höfen von vorne an. Was er aber bald einführte und sehr lange beibehielt, war die Möglichkeit, dass Menschen auf seinen Hof kommen, dort Zeit verbringen, mitarbeiten und die genügsame Lebensweise der Selbstversorgung und der alten Handwerke erlernen konnten. Was natürlich dann immer mehr Menschen gemacht haben, um an seinem großen Wissen teilhaben zu können. Später begann er daher auch Kurse zu geben, um noch mehr Interessierte aus der ganzen Welt über seinen Lebensstil und seine Philosophie aus erster Hand zu unterrichten.

Er war der Autor von über 40 Büchern, die vor allem der Selbstversorgung und der Umwelt gewidmet worden waren. In diesen Büchern lobte er das Konzept der Selbstversorgung, dass für ihn ein Gegenmittel gegen die aufkommende Kultur der Abhängigkeit war, die Menschen der Würde und Selbstachtung beraubt. Er wollte, dass Menschen ihre Unabhängigkeit von der industrialisierten Gesellschaft erklären und betonte, dass es mehr im Leben gibt, als den 9-Stunden-Arbeitstag. Die zwei absoluten Klassiker von John Seymour sind Das neue Buch vom Leben auf dem Lande und Selbstversorgung aus dem Garten.

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Was wir alle von ihm lernen können

John Seymour starb am 14. September 2004 im Alter von 90 Jahren.

John Seymour war ein Idealist und Visionär. Seine Ideen waren sicher Teil einer Bewegung, die schon sehr früh für eine Welt eintraten, in der Menschen ihr produktives Tätigsein lieben und genügsam in nachbarschaftlichen Netzwerken leben. Diese Botschaft, die ich in seinem Lebenswerk sehe, kann uns allen zum Nachdenken dienen. Gerade in einer Zeit, in der der Wandel zu anderen Lebensweisen immer dringender geboten scheint.

Herbert Girardet, der bei der BBC mit John Seymour zusammengearbeitet hatte, schrieb in einem Nachruf im Guardian:

Johns Hauptanliegen war, dass wir nicht einfach diese Welt aufgeben sollten, die wir über so lange Zeit aufgebaut haben – eine Welt von Jägerinnen und Sammlern, Kleinbäuerinnen, Matrosen und Förster*innen. Sollten wir nicht zweimal nachdenken, würde er fragen, bevor wir kopfvoran in ein treibstoffabhängiges, umweltschädliches Plastik-Zeitalter starteten?

Jetzt sind wir schon mittendrin. Aber es ist nie zu spät zum Nachdenken und sich verändern.

Dieser Artikel ist mehr als ein Jahr alt. Es muss daher nicht sein, dass wir jedes einzelne Wort immer noch so schreiben würden wie damals. Wenn Fragen sind, kommentiere einfach zum Artikel, dann antworten wir Dir gerne.

9 Gedanken über “John Seymour – Pionier eines genügsamen Lebens

  1. Josef Benjamin Brunner

    Meines Wissens war es nicht nur in Osteuropa und Asien damals absolut üblich Subsistenzwirtschaft zu betreiben. Auch in Mitteleuropa regional unterschiedlich noch damals üblich.

    Danke für den interessanten Artikel, kannte J. S. bis jetzt noch nicht.
    Grüße Sepp

  2. Jimi

    Hallo Michael

    Hammer dass du eine Würdigung von John Seymour geschrieben hast!!

    Leider schwirrt im Netz immerwieder Kritik herum JS sei Idealist usw. Seine Bücher (vor alle die zwei die du oben empfielst) haben mich seit Jahren iw inspiriert. 

    Hatte vor Jahren einen kleinen Bauernhof mit 3/4Ha Land gekauft und das Land einem Bauer zur Verfügung gestellt – bis zu dem Tag als mir das Buch „Das neue Buch vom Leben auf dem Land“ in die Hände fiel. Mir wurde nach Jahren erst durch JS bewusst was für einen Schatz ich da unter meinen Füssen habe. Ich begann Obstbäume, Hecken, Beerenstraucher usw. zu pflanzen, begann mit Garten Gemüse, Most, Bierbrauen, Hühner, Bienen usw. 

    Ohne die Bücher von JS hätte ich wohl nie den Schritt in die (Teil-)Selbstversorgung gemacht. Mein Sohn der gelernter Biolandwirt ist, ist ebenfallst begeister – klar können nicht alle Themen von JS ausführlich beschrieben werden (Bsp. Energie u.a. aber ermutigen zu diesen Themen sich weiter zu informieren) aber sehr vieles ist 1:1 umsetzbar. die unzähligen Zeichnungen dazu sind sehr hilfreich. 

    Hier noch ein Wort an die JS-Kritiker und Ewigträumer:

    – Aufwachen!

    – Aufstehen!

    – nicht das Unmögliche, sondern das Mögliche in die Tat umsetzen!

    Gruss
    Jimi

  3. Eduard

    Seine Bücher machen dem Idealismus Feuer… die Gefahr ist halt dass wenn es an die Praxis geht es nur noch raucht und dann vielleicht ganz ausgeht, weil die Möglichkeiten einfach zu vielfältig, die dafür benötigten Kenntnisse und Materialien einfach zu anspruchsvoll sind. Man baue eine Windturbine, beschrieben auf einer Doppelseite, ist wohl für die meisten so nicht umsetzbar. Kurz: Der Idealismus muss sich immer mit dem Realismus die Waage halten. Das für mich nervigste Szenario ist, wenn ich mir ein idealistisches Projekt vornehme, mich so gründlich wie möglich informiere, v.a. über mögliche Nachteile, und später in der Praxis taucht dann irgendein Problem auf, vor dem mich vorher kein Idealist gewarnt hat… ;-)

  4. Isolde Schnorbach

    Leute wie John Seymour beeindrucken mich sehr. Es gibt sie ja zum Glück noch. Leider habe ich nur einen kleinen Balkon. Aber hier experimentiere ich nach dem Motto „urban gardening“. Und auch auf einer kleinen Fläche kann man Freude haben am Wachsen und Gedeihen von z.B. Tomaten, Paprika, Salat, Kapuzinerkresse, Kräutern.

  5. Karin K.

    Hallo Michael,
    diese Würdigung von John Seymour freut mich sehr, danke für den Artikel! Für mich war er (bzw. sein Buch „Selbstversorgung aus dem Garten“) damals in den 70iger Jahren der erste Kontakt mit dem Thema Selbstversorgung und noch heute benutze ich trotz diverser Fachbücher immer noch „den alten Seymour“, inzwischen vergilbt und mit vielen Flecken, die das bewegte Bücherleben deutlich zeigen.
    LG, Karin

    1. Claudia

      Ich freu mich, hier einen Artikel über Seymor zu lesen… sein Buch begleitet über Jahrzehnte meine diversen (mal mehr, mal weniger erfolgreichen) Versuche einen Gemüsegarten aufzubauen.
      Der jetzige gefällt mir schon ganz gut und versorgt 2 Personen mit Gemüse aller Art…
      Bei Seymor schaue ich immer mal rein, wenn ich eine Extraportion Mut brauche, dranzubleiben und meine Vision von einem anderen Umgang mit Natur & Selbstversorgung nicht für komplett unrealistisch zu halten. ;o)

      1. Marion

        Hallo liebe alle, ich habe auch 2 Bücher von J.S. Wunderbar auch die Bebilderung.
        Ich bin im übrigen sehr zuversichtlich, dass die Selbstversorgung uns irgendwann einmal retten wird. Für mich ist es jedenfalls ganz klar, dass dieses System aus Krediten, Kriegen, Umweltzerstörung und menschenverachtender Politik zusammenbrechen wird. Und das wohl bald. Schwindendes Magnetfeld der Erde, magnetischer Polwandel, außerordentlich starke Sonnenwinde – da hat unsere heutige Lebensweise in Abhängigkeit von Strom dann nichts mehr zu melden. Eine spannende Zeit! Und weiter gärtnern! Auch Samenbanken erstellen. Ganz nach dem Vorbild von Vandana Shiva.
        Namasté Marion

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