Schule ist Zeitverschwendung

Erfahrungen sind wichtiger als Wissen

Avatar-Foto
Von Pia Selina Damm
12. August 2016

Schule – so wie sie jetzt meistens ist – reine Zeitverschwendung. Wenn ich zurück blicke, frage ich mich nicht selten: Was hätte ich in diesen 13 Jahren alles erleben und wirklich nachhaltig lernen können?!

Zwei Jahre nach dem Abitur wissen wir nur noch zehn Prozent des gesamten Schulstoffs.
Quelle: Interview mit Gerald Hüther

Ist das nicht absurd? Wissenschaftlich ist längst bekannt, dass wir unter Stress, Druck, mit Angst und ohne emotionalen Bezug nicht nachhaltig lernen. Und dennoch wird weiterhin der Lehrplan durch gepaukt. Da kann ich gar nicht länger drüber nachdenken, ohne wütend zu werden… So viele junge Menschen, die ihre Lebenszeit absitzen, sich langweilen und nicht ihrer natürlichen Neugier nachgehen und ihre individuellen Talente entfalten können…

Angst und Kreativität schließen sich aus

Wenn das Areal im Hirn, welches für Angst zuständig ist – der Mandelkern – aktiviert ist, schließt das aus, dass wir kreative Lösungsansätze überhaupt denken können. Wenn etwas unter Angst gelernt wird, ist vorprogrammiert, dass dies niemals für kreatives Problemlösen eingesetzt werden kann. Angst und Kreativität schließen sich aus.

Damit wir langfristig lernen und verstehen, braucht es emotionalen Bezug. Dieser kann nicht entstehen, wenn der Organismus permanent Angst ausschüttet und im Verteidigungs-Modus ist. Die zu lernenden Themen und Inhalte sind dann meist per se negativ konnotiert, weil wir mit ihnen unangehnehme Empfindungen verbinden. Dass es dann externe Motivation braucht (Noten, Aussichten auf Studienplätze/ Job), um zu lernen, scheint klar zu sein.

Noten killen intrinsische Motivation

Der Gummibärchen-Effekt zeigt, dass intrinsische (innere) Motivation durch Belohnungssysteme schnell durch extrinsische (äußere) Motivation ersetzt wird.

Im Kindergarten bekommen Kinder für jedes gemalte Bild ein Gummibärchen. Einige Kinder fangen an, nach dem Motto „Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist das Mondgesicht“ Bilder abzuliefern, um Gummibärchen anzuhäufen. Andere malen ganz in ihre Werke vertieft weiter, bis sie aus den Augenwinkeln die Gummibärchen-Berge der anderen bemerken. Auch sie fangen an, Bilder gerade zu zu produzieren.

So schnell kann innere durch äußere Motivation ersetzt werden. Die Tätigkeit – in diesem Falle Bilder malen – bleibt die gleiche. Doch wird sie nur noch als Mittel zum Zweck ausgeführt und nicht um der Tätigkeit selbst willen, aus Freude am Erleben und im Moment.
Mit dem Lernen läuft es leider sehr ähnlich ab – Oft haben wir nur noch das Ergebnis und die Belohnung, die Noten, im Sinn.

Ein Schreibbrett, eine Hand mit Stift, die etwas abzeichnet. st Schule nur kopieren?

Leider baut unsere gesamte Gesellschaft auf diesen Prinzipien auf. Wie viele Menschen arbeiten aus intrinsischer Motivation? Und wie viele nur noch, um Geld zu verdienen, ihre Existenz zu sichern? Durch die klassische Lohnarbeit ist ersteres so gut wie unmöglich.

Jetzt NANU-Mitglied werden!

Du unterstütz damit dieses auf positive Ansätze ausgerichtete Projekt einer Gruppe von Akteur*innen des Wandels, die es lieben, Artikel, Podcasts und Videos rund um Wandel-Themen zu produzieren. Lasst uns gemeinsam ein Sprachrohr aufbauen für Ideen, Projekte und Menschen, die den Wandel vorwärtsbringen.

Mehr erfahren

„Erwerbsarbeit ohne ‚echten‘, inneren Antrieb erzeugt also einfach nur innere Leere, Sinnlosigkeit und irgendwie auch Traurigkeit.“
Ilona Koglin, Dragon Dreaming Trainerin

Wie viele junge Menschen gehen zur Schule, weil sie dort ihre Fähigkeiten und Talente entfalten können? Und wie viele, weil es Schulpflicht gibt oder weil „das eben sein muss“, um einen guten Job zu bekommen? Mach selbst das Experiment und frag Schüler*innen warum sie in die Schule gehen…

Wir brauchen Empathie!

„Viel wichtiger als Wissen ist Erfahrung.“
Gerald Hüther, Neurobiologe

Wissen ist mittlerweile fast unbegrenzt zugänglich – durch online Vorlesungen, Enzyklopädien und so weiter. Was wir mehr denn je nötig haben, sind Erfahrungen, die uns berühren. Emotionen, die uns bewegen. Geschichten, die unter die Haut gehen. Nur dann werden Sachverhalte greifbar – nur so können wir be-greifen. Wenn wir sie an uns heran gelassen haben, sind wir fähig, sie aufzunehmen und zu speichern. Nicht wie Vokabeln im Kurzzeitgedächtnis, um sie für den nächsten Test auszukotzen und dann zu vergessen. Sondern wirklich tief in uns, weil Emotionen daran hängen. Es geht also darum, Erfahrungen zu vermitteln und sie aufzunehmen. Und dazu ist zu einem großen Teil Empathie notwendig.

Große Fragen ganz klein

Entdeckergeist steckt vor allem in Baby- und Kinderschuhen. Die kleinen Wesen sind von sich aus begeisterungsfähig und neugierig. Sie hinterfragen, wollen wissen, staunen und reißen uns – die „Erwachsenen“ – nicht selten mit. Bis wir sie dann durch Schulzwänge fesseln und ihren Erkundungsgeist an Stühle binden. Eingezwängt zwischen Tafel und Heft haben die großen Ideen und strahlenden Fantasien, Fragen, die die Welt bewegen, keinen Platz mehr – Ja, sie scheinen geradezu unwichtig und klein zu werden. Zu verschwinden hinter auswendig zu lernenden Formeln und langweiligen Vokabeln.

90% aller Kinder sind hochbegabt – nach der Schule nur noch 10%.
Quelle: Film „Alphabet – Angst oder Liebe“

Das Schlimme ist, dass diese Neugierde in der Schule nicht nur subtil, sondern oft auch direkt untergraben wird. Ich habe es oft erlebt, wissbegierig Fragen zu stellen, um dann abgespeist zu werden mit „Das ist halt einfach so. Wir wollen jetzt mit dem Lehrstoff durchkommen“.

"Erkläre es mir und ich werde vergessen. Zeige es mir und ich werde mich erinnern. Lass es mich selbst tun und ich werde es verstehen.", Zitat von Konfuzius. Wird in der Schule leider nicht gelebt!

Ist Schule wirklich Zeitverschwendung?!

Wichtig ist mir noch zu betonen, dass der gewählte provokante Titel eine individuelle Aussage ist. Für mich waren die 13 Jahre Schulzeit im Rückblick – jetzt, wo ich reflektieren kann, dass Lernen anders aussehen kann – größtenteils Zeitverschwendung. Natürlich trifft das nicht auf meine gesamte Schulzeit zu. Ich habe tolle Menschen kennengelernt, Freundschaften geknüpft, die ein oder andere bereichernde Diskussion gehabt – Allerdings würde ich keinesfalls behaupten, dass dafür dieses Schulformat nötig gewesen wäre! Vielmehr bin ich davon überzeugt, dass in einer anderen Begegnungs- und Lernatmophäre diese Punkte noch intensiver hätten gelebt werden können.

Wie kann Lernen anders ablaufen?

Das gilt es in den nächsten Jahren gemeinsam – bestenfalls mit Schüler*innen und Lernenden – heraus zu finden. Beispiele vieler Freilerner*innen machen deutlich, dass Kinder keinen getakteten Lehrplan brauchen, um motiviert zu sein und lernen zu wollen. Hier einige spontane Vorschläge ohne Anspruch auf Vollständigkeit ;-)

  • Die innere Freude und Motivation wertschätzen und nicht durch Belohnungs- oder Bestrafungssysteme zerstören
  • Eine möglichst angstfreie Lernatmosphäre kreieren
  • Einfühlsam miteinander umgehen; Bedürfnisse wahrnehmen
  • keine Hierarchie zwischen „Lehrer*innen“ und Lernenden. Begegnung auf Augenhöhe.
  • alters- und interessensgemischt von- und miteinander lernen, hierdurch kann Unterschiedlichkeit gewertschätzt werden ohne sich durch Noten vergleichen oder aneinander messen zu müssen
  • keine Angst vor „Scheitern“ oder „Fehlern“ vermitteln
  • selbstbestimmt Inhalte und Themen wählen
  • spielerisch entdecken statt starr auswendig lernen

Nicht nur, dass durch diese und viele weitere Punkte eine selbstbestimmte, authentische, empathische Lernatmosphäre geschaffen werden kann. Auch fest zum Kapitalismus gehörendes Konkurrenzdenken, Verwertungslogik und Selbstoptimierungsdruck kann mit Sicherheit verringert werden.

Welche Punkte fallen Dir noch ein? Und: Wie war Deine Schul- und Unizeit für Dich? Was hast Du daraus gemacht? Lebst Du mit Kindern zusammen, die zur Schule gehen (müssen)? Wie empfinden sie das Lernen? Was könnt ihr vielleicht gemeinsam ändern – Wie lässt sich Schule anders gestalten? Ausprobieren lohnt sich!

Und zum Abschluss noch eine Filmempfehlung: „Alphabet – Angst oder Liebe“. Michael hat sich den Film schon beim Erscheinen angesehen und einen Artikel über den Film Alphabet geschrieben.

Dieser Artikel ist mehr als ein Jahr alt. Es muss daher nicht sein, dass wir jedes einzelne Wort immer noch so schreiben würden wie damals. Wenn Fragen sind, kommentiere einfach zum Artikel, dann antworten wir Dir gerne.

31 Gedanken über “Schule ist Zeitverschwendung

  1. Gregor Ilg

    Liebe Pia,

    auch wenn der Artikel schon etwas älter ist, ist das Thema ja nach wie vor relvant, wenn nicht sogar in Zeiten der Digitalisierung noch wichtiger. Weil letztendlich zeigen die Anforderungen an das (Arbeits-)leben schon heute, dass viele Dinge, die eigentlich hilfreich wären, um sich in er welt zurecht zu finden, gar nicht auf dem Lehrplan stehen.

    Du hattest um Ideen und Meinungen gebeten. Hier ist mal eine Vorschlag, der ein wenig von den klassischen Wegen abweicht. Würde mich sehr interessieren, wie Du das siehst: http://futureproofworld.com/revolution-bildungssystem-levelbasierte-individuelle-kompetenz-entwicklung/.

    Liebe Grüße,
    Gregor.

  2. Amk

    Schule muss geändert werden. So wie sie jetzt existiert, ist es eine Fabrik. Es geht nur um Noten und Leistungsvergleiche. Einfach nur zum Kotzen. Es wird künstlich Druck erzeugt um dann zu prüfen wie Leistungsfähig die Schüler sind… 2/3 der Lehrer sind für den Beruf nicht geeignet. Lehrer sollten nach Leistung bezahlt werden, dann würde sich die Qualität des Unterrichts ganz schnell von alleine ändern.

  3. Bettina

    Für mich war Schule immer Zwang. Ich war in der Schule ein Aussenseiter. Meine Mutter war – ist nun in Pension – Volkschullehrerin, später Direktorin, da waren gute Noten PFLICHT (ich habe diese Pflicht nur selten erfüllt und musste mit den Konsequenzen leben). Ich bin ein Mensch (wie „Peter Pan“) der niemals erwachsen werden will. Ich bin kreativ, lebe in einer Phantasiewelt, habe Zunkunftspläne die andere die Hände überm Kopf zusammenschlagen lassen und „Gut, dass das die Omi nicht mehr mitbekommt!“ murmeln lassen.
    Wozu Schule? – Volkschule für Rechnen, Schreiben, Lesen lernen – okay, aber alles andere sollte man nicht über Schulbücher oder vortragende Lehrer lernen. Selbsterfahrung bleibt viel besser im Gehirn verankert als stur auswendig gelerntes.

  4. linn83

    Ich versteh ehrlich gesagt dieses viele Gerede um die Schule immer nicht. Haben denn die, die gegen dieses Schulsystem sind, sich wirklich mal gefragt, was sie denn tatsächlich alles in der Schule gelernt haben? Lesen, Schreiben, Rechnen ist ja noch das einfachste. Auch Kopfrechnen braucht man doch oft im Leben – zumindest wenn man ehrlich zu sich ist. Mich erschreckt es immer, wenn z.B. Erwachsene zusammen ein Geschenk kaufen und wenn es dann um die Aufteilung des Geldes geht, man an einer einfachen schriftlichen Rechnung verzweifelt. Oder wenn ein Ofenbauer-Meister sagt, er muss sein Betrieb schließen, weil er keinen neuen Meister ausbilden kann, weil keiner mehr den Pythagoras beherrscht – und dann steht der Ofen nun mal nicht. Natürlich lernt man auch Sachen in der Schule, die man nicht wieder braucht. Aber ist es wirklich schlimm, auch mal etwas zu hören, was einen nicht interessiert? Man soll doch einen weiten Horizont bekommen. Und wer weiß, was einen noch so interessiert, wenn man es nicht gezeigt bekommt? Und z.B. ein bisschen Geschichte sollte doch jeder mal gehört haben – das hat mich nun so richtig nicht interessiert – aber geschadet hat es auch nichts.
    Und das leidige Thema mit den Noten find ich ja fast noch schlimmer. Ich weiß nicht, ob Leute, die keine Noten wollen wirklich alle so viel freiwillig lernen würden oder ob das auch ein bisschen Überschätzung ist. Aber wie viele Studenten – die sich ihr Studium ja rausgesucht haben und eigentlich auch alt genug sind – studieren ewig, weil es an der Selbstdisziplin fehlt, mal was zu tun? Wie sollen das denn dann Kinder schaffen? Und ich glaube ehrlich nicht, dass jedes Kind einfach nur lernt, damit es lernt. Klar, das was Spaß macht – aber dann kann ein Kind später ganz toll rechnen, aber die Aufgaben dazu nicht verstehen weil ihm lesen halt kein Spaß gemacht hat. Und was ist gegen das Belohungssystem einzuwenden? Wollen wir nicht alle belohnt werden? Ein Danke, weil man etwas schön gemacht hat, ein leckeres Essen weil die Tomatenzucht geklappt hat? Ist das nicht alles Belohnung? Wieso darf das Kind dann keine 1 bekommen? Wenn ich bei der Tomatenzucht das gießen vergessen hab, werde ich auch bestraft – das wär dann eine 3 in der Schule. Ich denke, dass man auch mit Mißerfolgen lernen muss umzugehen und ich denke, dass es besser ist, dass in jungen Jahren im kleinen zu lernen, als als Erwachsener wenn es auf alles drauf ankommt. Wenn meine Kinder jetzt ein Mißerfolg haben, bin ich für sie da, wir können gemeinsam lernen, dass das kein Weltuntergang ist und das es aber auch weiter gehen muss und dass das auch geht. Wie soll ein Kind, welches nie mit Druck (auch im Kleinen) gelernt hat, umzugehen im Leben zurecht kommen? Jetzt hör ich schon wieder – das liegt an unserer Gesellschaft. Aber erstens ist die Gesellschaft nun mal so und in meiner Erziehungspflicht liegt für mich auch, dass mein Kind in dieser Gesellschaft zurecht kommt. Und zweitens soll mir kein Selbstversorger sagen, dass es dort keinen Stress und Druck gibt. Man muss für den Winter vorsorgen, man muss auf das Wetter achten, wenn das Wetter nicht mitspielt gibt es Mißerfolge für die man nicht mal was kann – und dann geht es aber gleich an die Existenz – dann die Lebensgrundlage – die Nahrung. Und das soll kein Stress sein?
    Und ich glaube gerade als Selbstversorger brauch man ein Grundwissen, was man nun mal lernen muss. Wie viel aus der Biologie wird denn hier tatsächlich genutzt? Wieviel aus der Mathematik – wenn man Verhältnisse berechnen muss beim Einkochen usw., beim Vorrat anlegen für den Winter, wieviel Organisation – was man übrigens auch in der Schule automatisch mitlernt. Vielleicht sollte man bei den 10% Wissen doch etwas ehrlicher zu einem selbst sein.

    Zum Schluss möchte ich aber trotz allem kurz sagen, dass ich das mit dem Selbstversorgen trotz allem schön und interessant finde. Ich bau auch immer mehr im Garten an und mach mit den Kindern immer mehr selber – und tatsächlich weil es mir Spaß macht. Aber meine Kinder gehen trotzdem auf eine normale Schule und ich finde das gut (und meine Kinder übrigens auch, die sich immer fragt, was die denn ohne Noten lernen) und ich förderer und forderer sie dort auch noch. Sie lernen auch beide ein Instrument was sie mit Sicherheit auch nicht mehr brauchen im Leben – das ist vermutlich auch wieder sinnloser Stress.

    1. jacky gleich

      hallo zusammen
      ich bin auf der suche nach ratschlägen zum thema wintersalate auf eurem blog gelandet … :-)
      habe ein bißchen herumgelesen und vieles spannend gefunden und bin beim bildungsthema hängen geblieben.
      da ich sozusagen rundherum „betroffen“ bin, will dazu gern etwas beitragen.
      ich finde es recht merkwürdig, wie wild und heftig und oft auch unfreundlich immer wieder über das thema schulpflicht und wie-lernen disskutiert wird. es kommt mir so vor, als spielen viele ängste und unwissen mit.
      kurz zu uns:
      wir sind eine familie mit 4 kindern zwischen 21 und 11 jahren.
      wir haben sehr verschiedene schul/lernformen hinter uns:
      – merkwürdige, internationale, private, sehr konservative schule in italien
      – stinknormale, eher ungute schulen in deutschland.
      – sehr gute montessori-orientierte schule in deutschland, die aber leider nur bis zur 5. klasse ging
      – waldorfschule in deutschland, steinerschule in der schweiz
      seit 2 jahren sind 3 unserer kinder als homeschooler, bzw. freilerner unterwegs, da der zweitälteste keine lust hatte mehr auf schule und herumsitzen hatte. er wollte seine zeit selbst einteilen, das lernen, was ihn interessiert. in dieser zeit hat er sich selbst das programmieren von webseiten beigebracht, hat mehrere praktikums hinter sich, hat seine obligatorische schulzeit hinter sich und schnuppert sich gerade durch das leben. bis vor kurzem war er z.b. bei einem glasbläser.
      die älteste studiert inzwischen.
      es war zunächst als ein experiment gedacht, da wir nicht wussten, ob das geht und wir das können – wir sind dabei geblieben. wenn die jüngeren kinder wieder in die schule gehen wollen, werden wir schauen, wo und wie.
      wir zwei grossen sind beide künstler, also freiberuflich und können unsere zeit daher sehr gut selbst einteilen.
      wir wohnen recht einsam, aber wunderschön auf einem berg in der schweiz. die wege sind weit, die öv schlecht. zum fussballverein ist eine strecke 8 km. bei schönem wetter nimmt das kind das rad, bei schlechtem versuchen wir möglichst viele wege zu verbinden mit dem auto.
      als ergebnis all unserer erfahrungen kann ich sagen – ich würde das freilernen immer wieder, ja sogar viel früher, machen. es ist die maximale freiheit und gleichzeitig nähe, die für uns als familie zu erreichen war und ist.
      ich bin aber auch der meinung, dass die form des lernens und lebens nicht für alle menschen die beste ist. es hängt absolut von der einstellung und dem mut der eltern ab: sie müssen total dahinter stehen, sie müssen bereit sein, gegen den maistream solch ein konzept zu leben, ihren kindern genug halt und selbstvertrauen geben und das gefühl, dass das richtig ist.
      es gibt auch hier in der schweiz, wo es in vielen kantonen relativ leicht ist, homschooling zu machen, viele diskussionen und auch anfeindungen, viel unverständnis von menschen, die mit einem anders-sein nicht zurechtkommen.
      ich denke, es können auch nicht alle menschen auf grund ihres berufes, ihres einkommens, ihrere lebenssituation, ihres charakter usw. diese form leben: es bedeutet u.a. verzicht – weniger geld, wenn z.b. ein einkommen fehlt. weniger integration in eine „normale“ gruppe, z.b. dorfgemeinschaft, (wenn alle anderen kinder in die schule gehen, ist es schwieriger in diese gruppe hineinzukommen.) es bedeutet, die formel “ das muss man, das war schon immer so“ zu vergessen. man muss bereit sein, verantwortung für alles zu übernehmen, was den weg der kinder betrifft. es gibt dann keinen lehrer, den man verantwortlich machen kann. das argument, dass die gesellschaft ja so ist und man sich eben anpassen muss und deshalb in eine mittelgute oder auch schlechte schule gehen muss, um in dieser miesen gesellschaft klarzukommen, ist mir absolut fremd. wie soll sich was verändern, wenn nie etwas anderes ausprobiert wird? ich bin nicht gegen schule – ich gebe viele workshops in schulen und habe auch tolle lehrer getroffen, die das maximale herausholen. aber sie stehen oft allein und zereiben sich am system. es wäre leicht möglich, eine schule zu organisieren, die in etwa so funktioniert, wie bei uns das freilernen: es gibt in einem haus in den räumen verschiedene angebote und jedes kind entscheidet sich, was es an diesem tag, in dieser zeit interessiert. was es machen will, was seinen geist anregt, was seine spezialität ist. in alterdurchmischten gruppen – von klein bis gross. summerhill macht das im prinzip so.
      das wissen ist inzwischen so komplex und verändert sich so rasend schnell, dass heute vieles von dem, was wir in der schule gelernt haben, nicht mehr gültig ist. wichtiger, als stoff zu paucken ist, meiner meinung nach, zu lernen, was ich lernen muss für mein leben, zu erfahren, wer ich bin, was ich will, was mich und andere weiterbringt, wie ich mich einbringen kann. das können auch kinder schon sehr gut – wenn es ihnen nicht abgewöhnt wird. das ist aber das, was regelschulen (und leider auch eltern) meistens machen: wir bringen den kindern bei, sich anzupassen, zu funktionieren, zu entsprechen – karriere machen ist gut, selber denken und die gedanken laut äussern, schadet dabei oft. wir eltern tragen unseren teil bei, denn unsere ängste, dass es die kinder nicht schaffen werden, geben wir auch nonverbal weiter. das ist eigentlich der hauptpunkt, den freilerner- eltern lernen müssen: absolutes vertrauen haben in ihre kinder, dass sie alles können, was sie wollen und sich selbst glücklich machen können. das müssen auch wir jeden tag immer neu üben :-)

      ich bin für die aufhebung der schulpflicht. eine bildungspflicht reicht aus. wir werden einmal jährlich vom schulinspektor besucht. er schaut, was wir gemacht haben, ob es den kindern gut geht. wir machen einen jahresbericht und und eine art schul-lernplan für das neue schuljahr.
      das wars. die verantwortung liegt bei uns.
      es sollte jede familie selbst enstscheiden dürfen, wie sie mit ihren kindern leben will. der staat hat eine kontrollpflicht, ob es den kindern gutgeht. das muss nicht zwangsläufig in schulen passieren. da fällt genug durch – trotz täglicher schulanwesenheit. warum wird das thema so aufgeregt behandelt? hat das vielleicht mit kontrollwahn seitens des staates und der wirtschaft und dem neid von zu angepassten menschen zu tun?
      zum schluss noch ein zitat, das so bizarr ist, dass es schon wieder lustig ist:

      Nicht alle geben das allerdings so offen zu wie die Juristin Sabine Krampen-Lietzke. In einem aktuellen wissenschaftlichen Fachbeitrag mit dem Titel „Der Dispens vom Schulunterricht aus religiösen Gründen“ schreibt sie diesen Absatz: „Dadurch, dass die Schüler des Heimunterrichts intensiver betreut werden und dadurch bessere Lernerfolge erzielen könnten, haben diese einen Vorteil gegenüber den Schülern der öffentlichen Schule. Hierdurch wird die Chancengleichheit der Schüler verzerrt. Die Wahrung gleicher Startbedingungen für eine Bildungskarriere ist nur durch die Zusammenfassung aller Kinder in einer gemeinsamen Eingangsschule zu realisieren.“
      nachzulesen in diesem artikel: http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/warum-ist-hausunterricht-in-deutschland-verboten-13303144.html

      viele grüsse jacky

    2. Taf

      Ich stimme dir in vielen Punkten zu. Auch wenn man nicht mehr weiß wann und wie irgendein früherer deutscher König regiert hat und auch nicht mehr weiß was Van-der-Waals Kräfte sind, man hat trozdem über Sachen nach gedacht, sein Horizont erweitert und auch mal seinen grips für etwas neues angestrengt. Ich denke lernen im Allgemeinen macht einen schlauer, kommt nicht unbedingt drauf an was.
      Um zu sehen wie viel Bildung bringt braucht man sich ja nur kinder in der 3. Welt anschauen. Die die nie eine Schule besucht haben und die die einen Abschluss gemacht haben.

      Ich sage damit nicht dass unserer Schulsystem perfekt und ausgereift ist denn das ist es garantiert nicht. Aber trozdem komplett in Grund in Boden Stampfen seh ich auch nicht. Denn das Gefühl wenn man eine schwierige Matheaufgabe richtig gelöst hat oder wenn man in Deutsch ein Gedicht liest und plötzlich macht es klack und man sieht eine andere tiefere Deutung oder man bekommt in Physik Sachen gezeigt die einem die Welt besser erklären und so weiter, finde ich wichtig und sollte kein Kind missen dürfen.
      Denn Schule bildet dich ja nicht nur in einzelnen Informationen sondern in deinem Wissen und Denken.

  5. Ulrike

    Habt ihr schon von der Schetinin-Schule gehört ?
    Sie scheint eine hochinteressante Neugründung (ca. 20 Jahre) aus Rußland zu sein. In Österreich ein Ableger mit Namen „Lais-Schule“, in Deutschland ab September ein Ableger mit dem Namen „Nous-Schule“.
    Ich hatte und habe gerade etwas Berührung zu der Bewegung und bin sehr inspiriert. Schöne Grüße von Ulrike

  6. Anne

    Schöner Artikel. Ich kann da voll und ganz zustimmen. Ich war von der 5. bis zur 10 Klasse auf einer Mittelschule mit Musik und kreativem Profil. Zum Glück. Allerdings hatten wir auch konventionelle Fächer. Und ich fand diese als Zeitverschwändung. Der ganze Lerndruck hat mich fertig gemacht. Das einig gute daran war das ich einige Prüfungen im kreativen Bereich machen konnte. Ich hab mir immer gewünscht dass mich meine Eltern auf eine Waldorfschule schicken. Sie wollten allerdings nicht. Heute lerne ich super gerne neue Dinge aber das was ihr möchte.

    1. Katharina

      Ohne böse sein zu wollen: in deinem kurzen Text sind so viele Rechtschreibfehler enthalten, dass dir ein wenig mehr Konzentration auf die konventionellen Fächer vielleicht doch nicht geschadet hätte. Und auch auf der Waldorfschule ist nicht alles ganz anders – Lernen muss man dort auch!
      Liebe Grüße
      Katharina

  7. Jana

    Ich finde den Artikel super und komplett richtig. Ich finde es traurig das in Schulen, gerade in weiterführenden, so wenig praktisch gearbeitet wird. Ich persönlich habe auch schon den größten Teil von dem was ich gelernt habe wieder vergessen.
    Während ich diesen Artikel gelesen hab, musste ich sehr daran denken, dass ich während meiner Ausbildung zur Erzieherin ein Referat über Summerhill und der damit verbundenen Antiautoritärenerziehung gehalten habe. Ich war und bin immer noch begeistert von dieser Schule und ihrem Erziehungsstiel. Dort lernen die Kinder freiwillig und vorallem ohne Notendruck und ohne zwang. Sie können sich aussuchen was sie lernen und ob sie überhaupt was lernen möchten oder lieber spielen wollen. Aus den Informationen die ich damals durchgelesen habe, habe ich herausgelesen, dass es nicht ein Kind gab das nicht freiwillig gelernt hat und vorallem keins das nicht lernen wollte.Meiner Meinung nach sollte Schule immer frei sein im Bezug auf was gelernt wird und auf welche Weise. Ebenso bin ich der Meinung, dass jedes Kind in der Lage ist selbstständig zu lernen, wenn man es nur lässt und ihm die nötigen Materialien und die Zeit gibt, die es benötigt. Ich hoffe das sich in den nächsten Jahren viel am Schulsystem ändert und das lernen für Kinder angenehmer und zwangfreier wird.

  8. Maria

    Super Artikel, vielen Dank :)
    Ich hoffe wirklich ich finde da ne gute Lösung für meinen Kleinen… und aus meiner eigenen Erfahrung: Mir hat Schule bis zur zehnten Klasse auch nicht sonderlich viel gebracht bzw manche Bereiche hätten viel viel mehr berücksichtigt werden können! Auf jeden Fall war mir dann Mitte der elften Klasse klar, ich werde die Schule abbrechen und hab mich also nicht mehr um die Noten gekümmert… ;) und auf einmal oh wunder hat mir Schule Spaß gemacht! Ich mein, ich hab ab da ja nur noch das gelernt, was ich wirklich lernen wollte! Und auf einmal waren die Lehrer auch nicht mehr Lehrer, sondern ganz nette Menschen :D Natürlich war ich dann auch schon älter, aber ich glaube auch wirklich, dass man in den verschiedenen Entwicklungsstufen auch nicht alles lernen kann, also dass ich in der zehnten Klasse zum Beispiel einfach noch nicht für Kurvendiskussionen bereit war! Zwei Jahre später waren die für mich kinderleicht und ich hatte sogar Spaß dabei!
    Ich denke mal Montessori und Waldorf sind dann die einzigen Alternativen in Deutschland?!…

  9. Katharina

    Hallo,
    ich finde es richtig, dass es die Schulpflicht gibt und finde es eher schade, dass viele Menschen nicht mehr sehen, welches Privileg es ist, zur Schule gehen zu dürfen. Und Schule ist nicht immer so düster und angstbesetzt, wie du beschreibst.
    Solange berufliche Qualifikationen erforderlich sind – und das ist in unserer Welt so und wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern – gibt es bestimmte Kompetenzen, die notwendig sind. Da kann man als Eltern die Realität nicht einfach ausblenden.
    Liebe Grüße
    Katharina

    1. Avatar-FotoPia Selina Damm Beitrags Autor

      Liebe Katharina,
      klar ist es ein Privileg zur Schule gehen zu dürfen, das heißt im Umkehrschluss (für mich) jedoch nicht, dass Schule so wie sie ist, gut ist.
      Es ist ja auch ein Privileg, nicht in einem Kriegsgebiet zu leben oder Lebensmittel rund um die Uhr im Supermarkt kaufen zu können – was keinesfalls heißt, dass das Land, in dem wir leben, sich friedlich organisiert oder die Lebensmittel nicht durch Ausbeutung entstanden sind.
      Alles Liebe,
      pia

  10. Christine Weiß

    Ich bin so gerne in die Schule gegangen. Jeden Tag seine Freunde sehen, Ausflüge und eigene Projekte gestalten. Auch die vielfältigen Fächer, auch wenn ich z.B Sport und Englisch gehasst habe, war es eine Abwechslung.
    In der Fachhochschule geht das Wissen eher in die Tiefe als in die Breite.
    Was eigentlich schade ist, denn es gibt so viele spannende Themen.

    Zum Thema auswendig lernen: Wie soll ich eine Sprache lernen ohne Vokalbeln? Dass nur durchlesen wenig effizient ist, sollte jeder Schüler für sich selber schon entdeckt haben. Jeder lernt anders und muss für sich selber den effizientesten Weg herausfinden das gelehrte zu speichern und wiederzugeben, derjenige der kreative Lösungen findet, wird belohnt, durch Spaß am lernen.

    Außerdem hat sich schon sehr viel getan! Das darf man nicht vergessen und auch nicht außer Acht lassen. Wenn ich an meine Grundschulzeit zurückdenke, fällt mir spontan Frontalunterricht und Abfragen an der Tafel ein. Das Kind meiner Freundin, das voriges Jahr eingeschult wurde, ist meist voller Freude aus der Schule gekommen und weiß nicht, wie es die Ferien überstehen soll : ) Sie sitzen in Gruppen und die Klassenlehrerin kann die Kernfächer nach Bedarf einteilen, es gibt keinen festen Stundenplan und es werden viele Exkursionen geplant.

    Es gibt zwar noch viel zu verbessern, aber im Allgemeinen sind wir auf den richtigen Weg und ich bin gespannt, welches Schulsystem wir erreicht haben werden, wenn mal meine Kinder eingeschult werden.

    1. Avatar-FotoPia Selina Damm Beitrags Autor

      Ich hoffe auch, dass wir auf dem „richtigen“ Weg sind, wäre ja grauenvoll, wenn die Methoden immer frontaler und reaktionärer werden würden.
      Ich weiß nicht, wann Du zur Schule gegangen ist – Bei mir ist es erst vier Jahre her und da war Frontalunterricht und Tafel-Abfragen zum Großteil angesagt.

      Zum Sprache-Lernen: Es gibt durchaus noch viele andere Methoden, eine Sprache zu lernen. Ich selbst habe noch keine davon ausprobiert. Doch schon einiges bspw. von der Birkenbihl-Methode gehört: http://www.birkenbihl-sprachen.com/pages/die-sprachlern-methode
      Lernt ein Kind, wenn es sprechen lernt, Vokabeln?! Nein.
      Ich habe Französisch, Latein, Italienisch und Englisch in der Schule gelernt, war/bin sehr sprachbegabt und hatte dort in Tests etc. immer gute Noten. Wie viel weiß ich jetzt noch davon? … So gut wie nichts! Nachhaltig lernen ist für mich etwas anderes!

      1. Katharina

        Ich finde nicht, dass man Frontalunterricht pauschal verurteilen sollte – die Qualität dessen hängt oft von der Lehrerpersönlichkeit ab, die vorn steht. Und manche Inhalte lassen sich so besser vermitteln, als über eine andere Methode.
        Schule hat sich schon sehr verändert und tut es noch – aber nicht jede Veränderung ist eine Verbesserung und nicht jedes Kind spricht auf freie Methoden gut an.

        1. Avatar-FotoPia Selina Damm Beitrags Autor

          Liebe Katharina, ich habe Frontalunterricht auch keinesfalls pauschal verurteilt. Ich versuche da einfach nur aus meiner Erfahrung zu sprechen. Vier Jahre mache ich mit Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen nun Bildungsarbeit zu ganz verschiedenen Themen. Am besten und nachhaltigsten werden Themen dann verstanden, wenn sie interaktiv, partizipativ, prozess- und bedürfnisorientiert sowie spielerisch vermittelt werden. Klar – es ist auch das ein oder andere Mal Input dabei – dann allerdings nicht länger als 10-20 Minuten. Viel länger können Menschen eh nicht aufmerksam und konzentriert am Stück zu hören. Mein persönliches Fazit ist, dass Frontalunterricht über mehr als 30 Minuten nicht sinnvoll sein kann.

      2. kari90

        Naja das du viele der Vokabeln etc der unterschiedlichen Sprachen wieder vergessen hast, ist ganz klar – dein Gehirn ist ja darauf ausgerichtet möglichst effizient zu sein und im Moment unwichtige Dinge „irgendwo im letzten Winkel zu verstauen“. Hast du schon einmal versucht eine dieser Sprachen dann ein weiteres Mal zu „lernen“?! Dann sieht man erst, dass nicht alles vergessen ist, sondern ziemlich rasch wieder verfügbar.

        Ich denke ein paar grundlegende Dinge sind halt einfach wichtig, um sich dann selber Wissen aneignen zu können. Wenn ich mir viele Eltern so ansehe, die mit ihren Kindern absolut überfordert wirken und diese nur vor den Fernseher setzen, weiß ich nicht ob da alleine die Schule das Problem ist. Da hat die fehlende Förderung schon viel früher aufgehört. Kinder, die zuhause in den ersten Jahren von ihren Eltern viel gefördert werden, tun sich in unserem Schulsystem bestimmt einfacher, weil ihnen schon früh ein Spass am Lernen vermittelt wurde. Klar müsste viel individueller auf Kinder eingegangen werden.. Aber kaum versucht man das in Österreich individueller auf Kinder einzugehen, wird genau von der Seite, die eine Revolution im Schulsystem fordern, am lautesten geplärrt – beispielsweise mit dem gerade diskutierten Elterngesprächen in Kindergärten, wo auch die Grundschullehrer von den Kindergartenpädagogen eine Beurteilung der Kinder erhalten sollen (jaa Beurteilung klingt immer gleich so negativ). Das hätte den Vorteil, dass sich die Grundschullehrer nicht erst einige Wochen auf die Kinder einstellen müssen, sondern gleich von Anfang an in ihrer Planung individueller auf Kinder eingehen. Dazu braucht es natürlich auch Pädagogen mit Herz und das haben viele vielleicht zu wenig. Das hast du Pia mit deiner Dikussion über die Motivation arbeiten zu gehen bereits auf den Punkt gebracht.

  11. Susann

    Ja, Schule, so wie sie oft abläuft, enthält immer wieder Phasen der Zeitverschwendung. Ich bin z. B. sämtliche Chemiestunden abgesessen, ohne irgendwas zu lernen.
    Allerdings verdanke ich der Schule auch sehr viel – sie hat mir ermöglicht, Dinge zu lernen, die mir möglich machen, meinen Lebensunterhalt auf interessante und sinnvolle Weise zu verdienen. Sie hat mir auch ermöglicht, mir viele Aspekte unserer kulturellen Tradition anzueignen, die ich mir freiwillig nicht angeeignet hätte. Sie hat so meinen Horizont ziemlich erweitert.
    Das geschah im Übrigens durchaus unter Druck. Im erwähnten Chemieunterricht lernte ich nichts, weil ich nichts lernen musste. In Latein schaffte die Lehrerin, soviel Terror auszuüben, dass ALLE lernten wie die die Blöden, und ich noch 12 Jahre später meinem Kind sehr gut bei seinen Lateinaufgaben helfen konnte. Ohne den Druck hätte ich kein Wort Latein gelernt. Man kann natürlich argumentieren, dass kein MEnsch Latein wirklich braucht, aber für diverse Laufbahnen ist es eine Notwendigkeit.
    Ich halte es für ein Versäumnis, so zu tun, als wäre bei Jugendlichen intrinsische Motivation ausreichend, damit sie sich die Lerninhalte aneignen. Ich habe viel mit Jugendlichen zu tun, und deren intrinsische Motivation erstreckt sich auf ein, zwei Fächer, die ihren Interessen entgegenkommen, und ihr Sozialleben. Wer eine Sonderbegabung hat oder schon fixe Pläne für seine Laufbahn, kann sich oft selbst motivieren, auch in den anderen Fächer mitzuarbeiten, aber für die Leute, die eh noch keine Pläne haben, bedeutet ein Setzen auf ihre Eigenmotivation, dass ihre Leistungen schwach bleiben werden. Weil diese intrinsische Motivation eben für viel nicht vorhanden ist. Bei uns Erwachsenen ist das ja auch nicht anders! Wer mich in einen Onlinekurs Differentialgleichung einschreiben würde und auf meine intrinsische Motivation setzen würde, würde nicht erleben, dass ich in diesem Kurs auch nur eine Aufgabe lösen würde. Die Differentialgleichung ist mir nämlich schnurzpiepegal. Und so sind viele Inhalte auch Jugendlichen egal, unabhängig vom Aufwand, den der Lehrer zu Motivationszwecken da reinsteckt. Mittlerweile wissen wir ja auch, dass freie Arbeitsformen eben gerade den „schwachen“ Schülern mit wenig häuslicher Unterstützung wenig bringen – und sie so aber Qualifikationen u. Umständen nicht erreichen, die sie für interessante, auch finanziell lohnende Laufbahnen brauchen würden.
    Ich habe auch mit minderjährigen Flüchtlingen deutsch gelernt – und das sind Leute gewesen, die kaum Schulbildung erlangt haben. Die wissen genau, dass sie einen Abschluss brauchen, um auf dem europäischen Arbeitsmarkt irgendeine Chance zu haben – dementsprechend dankbar sind die für das (sicherlich verbesserungswürdige) Instrument der Schule.

    Aber um die einzelnen Punkte aufzubreifen:
    Die innere Freude und Motivation wertschätzen und nicht durch Belohnungs- oder Bestrafungssysteme zerstören
    -> Meiner Erfahrung nach braucht es das bei Jugendlichen, und sie wollen auch selbst einen Vergleich, eine Rückmeldung in Form von Noten und wissen, wo sie im klasseninternen Ranking stehen. Wenn die Fächer Whatsappen und Mit Freuden Rumhängen hießen, bräuchte es diese Systeme auch nicht, um die Leute zum Arbeiten an wenig befriedigenden Themen zu bewegen. Aber die Fächer heißen nun mal, was weiß ich, Chemie und Spanisch; ohne mühsame Arbeit ist hier weder ein Blumentopf noch ein Abitur zu gewinnen. Also kann man entweder Chemie und Spanisch zugunsten von Whatsappen rausschmeißen oder man wird um Druck nicht herumkommen.
    Eine möglichst angstfreie Lernatmosphäre kreieren -> d’accord
    Einfühlsam miteinander umgehen; Bedürfnisse wahrnehmen -> d’accord, wird aber schwierig bei 33 Leuten in der Klasse auf 45 Minuten. Da ist es fast unmöglich, einen guten Kontakt zu wahren.
    keine Hierarchie zwischen „Lehrer*innen“ und Lernenden. Begegnung auf Augenhöhe. -> wird nicht funktionieren, solange greifbare Ergebnisse in Form von Noten erzeugt werden sollen und kaum Zeit besteht, eine echte Gemeinschaft von Lernenden und Helfenden zu formen.
    alters- und interessensgemischt von- und miteinander lernen, hierdurch kann Unterschiedlichkeit gewertschätzt werden ohne sich durch Noten vergleichen oder aneinander messen zu müssen -_> immer wieder in Phase kann ich mir das gut vorstellen.
    keine Angst vor „Scheitern“ oder „Fehlern“ vermitteln -> Ja, Fehler sind WICHTIG, um zu lernen.
    selbstbestimmt Inhalte und Themen wählen -> clasht absolut mit dem System einer Zentralmatura/eines Zentralabiturs. Wäre natürlich schön, aber solang es ein verbindliches Korsett von Inhalten gibt, haben die wohl Vorrang.
    spielerisch entdecken statt starr auswendig lernen -> sowohl als auch ist nötig. Mit spielerisch Entdecken lernt man nicht den Wortschatz, den man braucht, um dann tatsächlich erfolgreich zu kommunizieren. Dazu ist tatsächlich Arbeit und Lernen und Wiederholen und dann noch mal Wiederholen etc. nötig.

    Ein interessantes Korrektiv ist z. B. das Buch von Amy Chua, der Tigermutter. Es hat mich sehr nachdenklich gemacht – das System sorgt tatsächlich für unguten Druck, der auch zu Mobbing und Schülerselbstmorden führt, aber der Ansatz, dass eben nicht alle Jugendlichen prinzipiell intrinsisch motiviert sind, um sich breites Wissen aus einem Wissenskanon anzueignen, scheint mir sinnvoll.
    Vielleicht ein Mittelding aus beiden?
    Abgesehen davon wird man Schule kaum zu einem Wunderland der selbstgesteuerten Wissensaneignung nach Lust und Laune machen können, während man gleichzeitig auf standardisierte Abschlüsse an Schulen und Unis setzt.

    Übrigens hab ich mal eine der hochgelobten finnischen Schulen besucht; die Schüler sagten, in der Oberstufe herrsche Frontalunterricht im Vorlesungsstil, und das fänden sie recht gut.

    Okay, das Baby schreit, muss los.

  12. Anne

    Meine Große ist jetzt 4, sie möchte unbedingt in die Schule kommen. Ich denke, dass sie sich einfach ein Bild der Schule innerlich malt: ein Ort, wo man Schreiben, Lesen und Rechnen endlich lernen kann. Ich habe ihr erklärt, dass sie das auch alles zu Hause lernen kann, sie brauch uns Eltern nur zu fragen. Ich selbst bin absolut ungern zur Schule gegangen, ich hab sie einfach 12 Jahre ausgehalten, gehofft und gebangt, nur um das Ziel zu erreichen: anschließend das zu lernen, was mich wirklich interessiert: ich habe Maschinenbau studiert, auch da habe ich mich durch einiges durchgekämpft. Jetzt promoviere ich und bin an dem Punkt angelangt, ich lerne, was ich lernen möchte. Veruche nebenbei kleckerweise noch ganz anderes zu lernen.
    Ich möchte meine Tochter zu einen Ort des Lernen schicken, der nicht dazu da ist, viele viele Jahre später, wenn man doch so viel anderes zu tun hat, das lernen zu dürfen, was einen wirklich interessiert. Dennoch ist es wichtig Dinge zu lernen, die man nicht für wichtig hält oder die einem eher schwer fallen, aber diese Dinge sollten den Zweck haben, anderes, interessanteres besser lernen zu können und zwar unmittelbar (Beispiel: englisch lernen -> Fachtexte verstehen).
    Wir wissen noch nicht, wo sie mal lernen wird, in unserer Stadt gibt es keine demokratische Schule…
    Viele Grüße und ich hoffe, dass endlich viel mehr Leute das Lernen begreifen.

  13. Tagpflückerin

    Autsch, deine Überschrift tut mir weh, so weh, dass ich den Text dazu momentan einfach nicht in Ruhe lesen mag und zuerst kommentieren muss: in Zeiten, in denen ich mit unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen zu tun habe, von denen einige noch nie / nur sporadisch, wenige Jahre die Schule besucht haben, bin ich froh und dankbar um die Schulpflicht.
    Hast du Alphabet gesehen, dann erwähne bitte auch, dass es bei den 98% Hochbegabten noch einen kleinen, nicht unbedeutenden Zusatz gibt, der leider meist unter den Tisch fällt. Es handelt sich dabei nicht um Hochbegabung im Allgemeinen, die Schule erfolgreich abtötet, sondern um die Fähigkeit der kreativen Problemlösung (dass die zerstört wird ist auch traurig, doch sonst klingt es, als würden Kinder dumm gemacht).
    So, jetzt lese ich nochmals alles in Ruhe durch. Und ja, ich bin mir sicher, dass du die Schulpflicht nicht abschaffen willst, sondern das bestmögliche für die Kinder aus den 9 Jahren herausholen möchtest,
    lg

    1. Avatar-FotoPia Selina Damm Beitrags Autor

      Ja, wie Du schon gesagt hast: Vorm Kommentieren, ist konstruktiver einen Artikel zu lesen. ;-)

      Auch klar ist aus meiner Perspektive, dass in einem Artikel mit begrenzter Zeichen-Anzahl nicht auf alle Aspekte und Teil-Aspekte eines Themas eingegangen werden kann.

      Du sprichst in Deinem Kommentar von ganz unterschiedlichen Lebensrealitäten. Wenn sich das eine Kind wünscht zur Schule gehen zu können (tut es das oder ist das Deine Projektion?), heißt das nicht, dass ein anderes Kind dort dennoch Angst, Unterdrückung seiner Talente und Kreativität etc. erleben kann.
      Und dann ist da finde ich noch die Frage nach den Ursachen: Woran liegt es, dass so viele Menschen fliehen müssen?
      Das hat unglaublcih viele und sehr komplexe Gründe. Eine Ursache davon liegt meiner Meinung nach ganz klar in der Bildung. Wenn Kinder andere Werte, Empathie, Verantwortungsbewusstsein und Solidarität lernen würden statt Konkurrenz, Leistungsdenken und Selbstoptimierungsdruck würden aus ihnen – sehr wahrscheinlich – verantwortungsvolle, solidarische, reflektierte „Erwachsene“, die nicht so viel Mist verzapfen würden, wie die meisten es momentan tun.

      P.S. Doch, ich bin definitiv dafür, Schulpflicht abzuschaffen, ansonsten würden Freilerner*innen weiterhin illegalisiert und kriminalisiert werden – mit der Bildungspflicht ist das was anderes.

  14. Lika

    Hallo!

    Unser großer Sohn geht in eine Schule in der alles etwas anders läuft. Natürlich gibt es auch hier gute und schlechte Tage, aber ich würde mein Kind sofort wieder in diese Schule geben! Beziehung zwischen Kind-LehrerInnen und Eltern perfekt, Lernfreude groß, Motivation bei ihm interessierenden Themen sehr groß, Akzeptanz gegenüber anderen Religionen, Kulturen, etc wird gefördet…. Wir sind sehr zufrieden!
    Hier findet ihr die Homepage: http://www.lisa-junior.at

    Alles Liebe, Lika

  15. Ann-Kristin Schmitt

    Sehr gut geschrieben und „leider“ alles wahr! Lustigerweise schreibe ich genau darüber gerade meine Masterarbeit :-) Die vielen unterschiedlichen Erfahrungen, die ich während meiner Schulzeit gemacht habe, meine Neugier, die die Schule nicht abschnüren konnte und meine Freude mit Kindern zusammen zu sein, ließ mich Waldorfpädagogik studieren. Und bald kann es richtig losgehen…;-)
    Waldorfschulen sind da auf einem guten Weg. Aber auch andere Schulen wie die Tekos-Schule, die Bielefelder Laborschule und einige weitere private Schulen. Zu viel Freiheit ist meiner Ansicht nach auch nicht das Wahre vom Ei. Besonders für kleine Kinder. Daher weiß ich noch nicht genau wie ich zu der Montessori-Bewegung stehe. Aber das gilt es noch herauszufinden :)
    Viel wichtiger ist, dass diese Informationen wie Kinder lernen, was sie brauchen in unserer jetzigen und morgigen Gesellschaft immer mehr verbreitet werden, damit es endlich zu Taten und einer großen Revolution kommt. Denn so geht es nicht mehr weiter! Ansonsten werden Privatschulen „überpopularisiert“ und das führt zu noch größeren sozialen Ungleichheiten. Denn Privatschulen kann sich nicht jeder leisten und die öffentlichen Schulen könnten verkümmern und würden nur noch von Kindern besucht, deren Eltern arm sind. Siehe Amerika!
    Wir wissen was wir, was Kinder brauchen. Also sollten wir endlich damit anfangen das auch in die Tat umzusetzen!!!
    Lesenswertes findet man bei Richard Precht, Harald Lesch, Sir Ken Robinson, Gerald Hüther, auch in der Handlungspädagogik von Guttenhöfer und wer sich geschichtlich interessiert wird herausfinden, wie lange wir schon alles Notwendige über den Lernprozess wissen (siehe Aristoteles, Konfuzius und viele andere)…

    1. kari90

      Ich war ein Jahr an einer schwedische Universität. Ein Auslandsjahr dort hat mich einfach gereizt, da immer so von deren Ausbildungssystem geschwärmt wurde und ich mir dadurch nicht nur neue Erfahrungen sondern auch eine solide Ausbilung erhofft habe. Die Erfahrungen waren wunderbar, in Sachen Ausbildung hatte ich aber einige Schreckmomente.

      Viele meiner Mitstudenten (Elektrotechnik) sind am einfachen Umformen einer Formel gescheitert. Mag schon sein, dass die Mathematik vor der Matura/dem Abi oftmals ein wenig zu Tief geht für viele, die später nichts Technisches machen, aber diese Studenten hatten sich ja bewusst für eine technische Ausbildung entschieden. Ich war wirklich schockiert und natürlich konnte dadurch oft das Wesentliche in den Vorlesungen/Übungen gar nicht mehr behandelt werden, da ja die Grundlagen fehlten.

      Das hat mich dann schon ein wenig über deren Schulsystem nachdenken lassen. Hier wird sich einfach immer nur nach dem schwächsten Glied gerichtet. Gute Schüler wurden scheinbar aber nie ausreichend gefördert. So hatten zwar alle im Schnitt eine bessere Basis, aber viele sich in der Schule natürlich wahnsinnig gelangweilt.

      Ich weiß nicht wie Schweden das heute macht – ob es da eine Zweiklassenschule gibt oder dieses System noch immer beibehalten wird. Von einer Zweiklassenschule halte ich ganz ehrlich gesagt auch nicht viel, da auch begabtere Kinder sehen sollen, dass es nicht jedem so einfach fällt.

Schreib uns Deine Meinung!

Wir freuen uns darüber, dass du zum Thema beitragen willst.

Mit dem Absenden dieses Kommentars akzeptierst du die Kommentar-Richtlinien.

 

Abonniere unseren Artikel-Newsletter!

Schreib dich jetzt in unseren kostenlosen Artikel-Newsletter ein und du bekommst wie 8.900 andere Leser*innen einmal die Woche einen Überblick über unsere neuesten Artikel: