15 Fahrradminuten entfernt von meinem Wohnort befindet sich ein super feiner Platz: Der Auergarden. Als ich dort das erste Mal zu Besuch war, war ich sowohl von dem Platz an sich, den Menschen, als auch von der Umsetzung der Landwirtschaft dort angetan.
Der Auergarden ist ein Verein, der für seine Mitglieder Obst und Gemüse anbaut – aber wie das alles läuft und was daran system-wandelnd ist, hat uns Gründungsmitglied Julika Zimmermann erzählt.
Michael Voit: Hallo Juli. Magst Du Dich mit drei, vier Sätzen vorstellen und mir verraten, ob der Name „Auergarden“ ans Englische, also an „Our Garden“ angelehnt ist? Oder wie kam es zu dem Namen?
Julika Zimmermann: Hallo Michael. Danke für die Einladung. Ich wohne in München und bin eines der Gründungsmitglieder der SoLaWi Auergarden, d.h. schon seit fünf Jahren mit dabei. Damals waren wir noch kein Verein und nur eine Handvoll Idealist*innen mit großem Vertrauen in Schorsch und Greta, die das Projekt damals hauptsächlich auf die Beine gesellt haben. Der Name „Auergarden“ kommt daher, dass das kleine Örtchen Haslach, in dem die Gärtnerei liegt, zur Gemeinde Au im Landkreis Freising gehört. Gleichzeitig passt es zu unserer Vision, eine Gärtnerei zu schaffen, an der alle Mitglieder mitgestalten können.
Michael Voit: Und was ist der Auergarden nun?
Julika Zimmermann: Der Auergarden ist eine Solidarische Landwirtschaft, die ca. 3 Hektar Anbaufläche mitten im Hopfengebiet der Hallertau bewirtschaftet und momentan ca. 60 Haushalte in München und Freising das ganze Jahr über mit regionalem und saisonalem Obst und Gemüse versorgt. Das Land gehört Georg Schwaiger, der zusammen mit unserer zweiten Gärtnerin Julia Laas dort unser Gemüse und Obst vorrangig in Mischkultur anbaut. Das Herzstück der Gärtnerei ist der sogenannte Apfelgarten, in dem ca. 20 verschiedene – teilweise alte – Apfelsorten und verschiedene Beerensorten wachsen. Das reinste regionale Fruchtparadies!
Seit drei Jahren sind wir ein gemeinnütziger Verein, der sich nicht nur dem Obst- und Gemüseanbau, sondern auch dem Naturschutz verschrieben hat. Das heißt, wir setzen auf alte, robuste Gemüsesorten, verzichten auf sämtlichen Einsatz synthetischer Düngemittel, vermeiden wo es geht den Einsatz von Maschinen, sondern arbeiten von Hand, und achten auf reichlich naturbelassene Ausgleichsflächen, Blumen, Hecken und Wildwuchs, damit sich auch Insekten und Wildtiere bei uns wohlfühlen.
Auch behalten wir die soziale Komponente von nachhaltiger Landwirtschaft im Blick. Uns ist wichtig, so viele Menschen wie möglich den Zugang zu frischem, regionalem Gemüse zu ermöglichen, daher werden die Anteile per Bieterrunde vergeben. Das heißt, jedes Mitglied zahlt so viel wie es kann, solange das Jahresbudget gedeckt ist.
Der Auergarden – Solidarische Landwirtschaft in Au
Michael Voit: Wenn ich Mitglied bei Euch werde – wie darf ich mir das vorstellen? Werde ich da Teil einer Gemeinschaft, die sich regelmäßig sieht, im Auergarden gemeinsam auch Zeit verbringt und arbeitet und vielleicht auch feiert?
Julika Zimmermann: Alle unserer Mitglieder sind eingeladen sich auf irgendeine ihnen möglichen Weise mit einzubringen, sei es organisatorisch bei Vereinstätigkeiten oder praktisch auf dem Feld. Das bedeutet, dass jedes Mitglied so viel Gestaltungsraum hat, wie es sich nimmt. Potenzial gibt es reichlich. In unserem Apfelgarten steht eine provisorische Außenküche, in der wir an Helfendentagen und Feiern für bis zu 50 Menschen kochen. Und zwischen Weißdornsträuchern, Walnuss- und Apfelbäumen schlummert eine Feuerstelle für gemütliches Beisammensein.
Aber es ist genauso möglich Teil des Auergardens zu sein, wenn Familie, der Job oder andere Umstände eine ehrenamtliche Mithilfe nicht ermöglichen. Es ist ausdrücklich ein Gemeinschaftsprojekt, aber es ist ganz natürlich, dass Verantwortung und Arbeitslast nicht gleichmäßig verteilt sind. Unser Vorstand leistet eine wahnsinnige ehrenamtliche Arbeit und auch der immense Einsatz unserer Gärtner*innen ist unglaublich.
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Du unterstütz damit dieses auf positive Ansätze ausgerichtete Projekt einer Gruppe von Akteur*innen des Wandels, die es lieben, Artikel, Podcasts und Videos rund um Wandel-Themen zu produzieren. Lasst uns gemeinsam ein Sprachrohr aufbauen für Ideen, Projekte und Menschen, die den Wandel vorwärtsbringen.
Michael Voit: Wie Du vorher erwähnt hast, ist das Ganze ja eine „Solidarische Landwirtschaft“. Was verstehst Du unabhängig von Eurem Verein unter dem Begriff? Und ist die Umsetzung des Auergardens deckungsgleich mit Deinem Ideal oder wurdest Du von manchen Ausprägungen überrascht?
Julika Zimmermann: Das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft hat in fast jedem Land einen anderen Namen und alle erzählen sie im Prinzip worum es geht: Teikei in Japan – das mit „Zusammenarbeit“ übersetzt werden kann -, Community Supported Acriculture (CSA) in den USA, Gemeinsam Landwirtschaften (GeLa) in Österreich. Der Kern des Konzepts ist solidarische Kooperation und Parnter*innenschaft. Die Umsetzungen davon sind so vielfältig wie es SoLaWis gibt. Aber im Kern jedes Projekts steht der Anspruch, gemeinsam Verantwortung für die eigene Lebensmittelproduktion zu übernehmen und diese Verantwortung nicht auf die ohnehin schon schwer beladenen und wenig geschützten Schultern der einzelnen Landwirt*innen zu laden.
In dem Konzept einer SoLaWi geht es zum einen um die finanzielle Absicherung der Landwirt*innen. In unserem weltweiten Wirtschaftssystem ist es vorgesehen, dass die Landwirt*innen Ernteausfälle, z.B. aufgrund von Unwettern oder Dürren, selbst stemmen müssen. Gleichzeitig steigt der Druck immer billiger und möglichst effizient zu produzieren, unbeachtet der verheerenden Folgen für Böden, Umwelt und Klima. Einzelne Landwirt*innen haben wenig Chancen aus diesem Gefüge auszubrechen, wenn sie überleben wollen. Daher setzt das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft bereits in der systemischen Beschaffenheit bestehender Lebensmittelproduktion an, indem sie die kapitalistische Logik in der Landwirtschaft aushebelt.
Die Idee ist, nicht gewinnorientiert, sondern bedarfsorientiert zu wirtschaften. Im Auergarden wird nur angebaut, was unsere 60 Haushalte brauchen und die Kosten dafür werden zu Beginn der Saison kalkuliert, transparent gemacht und dann von allen Mitgliedern abhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten solidarisch aufgeteilt. D.h. eine Anbausaison wird vorfinanziert und Ernteausfälle tragen alle gemeinsam. Außerdem spart sich die Gärtnerei teure und aufwändig zu verwaltende Biosiegel, da alle Mitglieder Einblick in die Anbautechniken haben und sogar selbst darüber mitentscheiden können wie gemulcht wird, welches Saatgut verwendet wird und welche Sorten angebaut werden. Und nicht zuletzt geht es natürlich um die Mithilfe der Community.
– Julika Zimmermann, Auergarden e.V.
Letzteres funktioniert am schlechtesten. Das dieses Problem ein systemisches ist, sehen wir daran, dass es in sämtlichen SoLaWis, die ich kenne, besteht. Freiwillige zu finden, die nötige Arbeit übernehmen klappt nirgendwo gut. Das ist logisch, denn wenn nur ein Teilbereich unseres Alltags gemeinschaftlich getragen wird, ist das irre viel Aufwand, für den wir uns vorsätzlich und aktiv Zeit nehmen müssen. Das ist nicht immer möglich. Würden alle anderen unserer Lebensbereiche solidarisch funktionieren – wie etwa das Geldverdienen und jede Form von Care- und Reproduktionsarbeit – wäre das etwas anderes.
Auch unser behördlicher Verwaltungsapparat kann mit dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft noch nicht besonders gut umgehen. Viele gesetzliche Vorgaben oder Förderungsbedingungen passen nicht zu dem Konzept der Solidarischen Landwirtschaft und macht die Verwaltung einer solchen Institution unnötig schwer. Wir sind als Verein organisiert, aber das ist nicht ideal. Andere SoLaWis sind Genossenschaften, was wiederum andere Herausforderungen mit sich bringt. Also hier gibt es von Seiten der Regierungsbehörden noch viel zu tun, um die Bedingungen für SoLaWis zu verbessern, die ja in der Regel kleinbäuerlich organisiert sind.
– Julika Zimmermann, Auergarden e.V.
Von der Idee zur Solidarischen Landwirtschaft
Michael Voit: Wie sah denn der Weg bei Euch aus – also von der Idee über den konkreten Start bis zu den ersten Ernteanteilen?
Julika Zimmermann: Der Auergarden e.V. begann als „Gemüse-AG“ der Einkaufsgemeinschaft – aka Food Coop – „Kerndlkreis“, die vor sechs bis sieben Jahren in München gegründet wurde. Wir waren eine basisdemokratisch organisierte Gruppe sehr idealistischer Menschen, die Getreide, Hülsenfrüchte und andere Trockenprodukte bei Landwirt*innen in der Region gemeinschaftlich eingekauft und unter uns verteilt haben. Den Kerndlkreis gibt es inzwischen nicht mehr, aber die Gemüse-AG bestand in Form der SoLaWi „Auergarden“ weiter.
Schorsch war damals Mitglied im Kerndlkreis und so lag es nahe, seinen Obst- und Gemüseanbau zu solidarisieren. Die meisten seiner landwirtschaftlichen Flächen waren ungenutzt und so begann alles mit einem Aufbau-Prozess von Infrastruktur, der bis heute anhält und der ohne den immensen Einsatz einzelner Ehrenamtlicher nie möglich gewesen wäre. In der ersten Saison waren wir knapp 20 Mitglieder und unser Ernteanteil bestand hauptsächlich aus Wildkräutern (lachen). Die ersten zwei Jahre wurde viel experimentiert. Manches klappte – das meiste nicht (lachen) – aber wir haben viel gelernt und jedes Jahr kamen neue Mitglieder dazu. In der dritten Saison bereicherte uns Julia als Gärtnerin, der Gemüseanbau professionalisierte sich und wir gründeten schließlich einen Verein – so entstand der Auergarden e.V.
Michael Voit: Gibt es Schritte, die Du heute anders machen würdest? Oder Punkte, die Menschen beachten sollten, die eine SoLaWi neu aufbauen wollen?
Julika Zimmermann: Die Wahl der Rechtsform muss gut durchdacht werden. Die meisten SoLaWis sind als Verein, als Genossenschaft oder als Mischform von beidem organisiert. Die beiden letzteren Formen erscheinen mir heute als geeigneter, als eine reine Vereins-Struktur, sind allerdings auch deutlich aufwändiger in der Gründung. Heute ist mir klar, dass es nicht reicht ein motiviertes Team an Gärtner*innen zu haben, sondern es braucht auch motivierte Menschen, die sich der Verwaltung eines solchen Projekts annehmen. Menschen aus der Stadt – mich eingeschlossen – unterschätzen oft den Aufwand und Komplexität die ein landwirtschaftlicher Betrieb mit sich bringt. Die ersten Jahre können sehr entmutigend sein, wenn die Erwartungen zu hoch gehängt werden.
Ich habe mich mehr als einmal gefragt, ob die Energie, die einzelne Menschen in dieses Projekt stecken, es wirklich wert ist. Aber jedes mal konnte ich die Frage mit „Ja“ beantworten, weil es eine unglaublich wertvolle Arbeit ist, die wir tun. Und im Idealfall wird es mit jeder neuen SoLaWi, die entsteht, einfacher. Aber nur, wenn wir offen dafür sind, neue Dinge auszuprobieren, wenn wir merken, dass bisherige Lösungen unpassend oder sogar destruktiv sind. Der Trick daran ist, nicht den Mut zu verlieren, wenn neue Ideen nicht funktionieren, denn viele werden nicht funktionieren. Das gehört dazu. Seid kreativ und habt Vertrauen in eure Community und bleibt euren Idealen und Vorstellungen treu, auch wenn ihr merkt, dass andere Projekte es anders machen. Denn so wie jeder Boden seine eigenen Eigenheiten hat und spezielle Zuwendung braucht, hat auch jedes SoLaWi-Team seine eigenen Schwerpunkte und Themen.
– Julika Zimmermann, Auergarden e.V.
Mehr Informationen zum Start einer SoLawi
Michael Voit: Welche Bücher, Websites oder sonstigen Quellen magst Du SoLaWi-Gründer*innen an die Hand geben?
Julika Zimmermann: Vernetzung ist wichtig, darum sucht euch SoLaWi-Netzwerke in eurer Region, wie z.B. das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft. Geht Solidarische Landwirtschaften im In- und im Ausland besuchen und lasst euch inspirieren. Sprecht mit anderen SoLaWi-Gründer*innen, lernt voneinander und schaut auch, was ihr anders machen wollt. Wichtig ist auch, dass du nicht zwangsläufig einen grünen Daumen brauchst, um eine SoLaWi mit aufzubauen. Ganz im Gegenteil. Wie vorhin erwähnt, braucht ein SoLaWi-Team mehr als nur Gärtner*innen sondern auch Skills an ganz anderen Stellen wie z.B. Mitglieder- und Finanzverwaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Pädagogik, technisches Handwerk, Rechtshilfe und mehr.
Das heißt, eure Bibliothek zur SoLaWi-Gründung ist am besten breit aufgestellt: Von Permakultur-Büchern über Ratgeber zu Gruppen- und Hierarchiedynamiken hin zu Nachschlagewerken des Vereinsrechts. Die Frage wie ihr Entscheidungen trefft, ist genauso wichtig wie die Frage welches Gemüse ihr anbaut. Vor wenigen Jahren hat sich ein Kollektiv zusammengefunden, das sich selbst organisiert zu SoLaWi-Gärnter*innen ausbildet und weitere Ausbildungsprogramme sind im Entstehen. Die Ausbildung ist nicht staatlich anerkannt, aber das ist beim Arbeiten in einer SoLaWi auch nicht wichtig. Denn hier zählt vor allem eure Motivation und euer Gefühl für eigenverantwortliches, solidarisches Handeln.
Und hier ein paar Lese-Tipps:
- Projektplanungsmethode „Dragon Dreaming“
- Eine super Anleitung für achtsames Diskutieren
- Und ein kleiner Input zu Hierarchien in Diskussionen
- Buch zu Gemeinschaftsgründung – ein Klassiker: Gemeinschaftsbildung – Der Weg zu authentischer Gemeinschaft
- Buch zu Permakultur: Permaculture Design – A Step by Step Guide
Michael Voit: Vielen Dank an Julika für all die wunderbaren Antworten und die spannenden Link-Tipps!
Welche Gedanken gehen Dir gerade durch den Kopf? Könnte eine Mitgliedschaft in einer Solidarischen Landwirtschaft etwas für Dich sein? Oder doch lieber Foodcoop oder selbst anbauen? Oder ganz andere Ideen und Konzepte? Ab in die Kommentare damit!
Hallo Michael, das ist ein super spannender Artikel. Wir sind vor Jahren nach Teneriffa umgezogen und betreiben dort eine Finca zur Selbstversorgung, Wir kamen aus der Gastronomie und hatten die Nase voll von den immer schlechter werdenden Lebensmitteln. Wir wollten dieses ändern, sobald wir dazu die Möglichkeit hatten. So kam es eben zur Selbstversorgerfinca auf Teneriffa. Unsere Problematik war der enorme Arbeitsaufwand, den man vielleicht als Junger noch eher bewältigen kann, als im Alter und so haben wir uns ebenfalls mit solidarischer Landwirtschaft und anderen Modellen befasst. Letztendlich scheiterte es aber immer wieder an der Bereitschaft tatsächlich mitzuarbeiten. Wir entdeckten dann WWOOF für uns, ein Konzept das Volontären ermöglich, kostenfrei auf einem ökologischen Betrieb zu wohnen und dafür mitzuarbeiten. Aktuell haben wir jährlich etwa 1.200-1.500 Anfragen aus aller Welt von Menschen in jeglichem Alter, die sich dafür anbieten und damit konnten wir unser Problem gut lösen. Interessanterweise sind auch immer wieder Leute dabei, die selbst eine SoLawi betreiben. Liebe Grüße, Josef
Grüß Dich Josef! Ja, wir haben auch wunderbare Erfahrungen mit WWOOF aber auch einfach Besuchen und Helfer*innen über andere Plattformen / Wege gemacht. War soweit ich das beurteilen kann immer für beide Seiten gut. Werde ich beim nächsten landwirtschaftlichen Projekt, dass sich bereits in Planung befindet, wieder mitbedenken und anbieten.
Euch weiter viel Freude und postive Erfahrungen!